Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
Snibril. Er sollte einen Namen haben, in dem sich der Buchstabe S mehrmals wiederholt, einen Namen, den man zischen kann.
Die beiden Gruppen musterten sich.
Dann lief Brocando wie ein wütender Hahn los und holte mit seinem Schwert aus. Der dünne Moul sprang zurück und zog die eigene Klinge mit einer Schnelligkeit, die zur Vorsicht gemahnte. Gorasch hob die Peitsche, mußte jedoch feststellen, daß plötzlich Bane zwischen ihm und dem König weilte.
Die Munrungs beobachteten das Geschehen interessiert. Es schien zwei verschiedene Methoden des Schwertkampfs zu geben. Brocando verwandelte sich in eine Art mobile Windmühle, trieb den Gegner mit purer Entschlossenheit und Kraft zurück. Im Gegensatz dazu wirkten Banes Bewegungen weniger spektakulär und maschinenhaft: stehenbleiben, zustoßen, parieren – tick-tock-tick.
»Sollten wir ihnen nicht helfen?« fragte Snibril.
Glurk schüttelte den Kopf. »Nein. Zehn zu zwei ist nicht fair.«
Die Tür in der gegenüberliegenden Wand öffnete sich, und mindestens zwölf Moule stürmten in den Thronsaal.
»So ist es besser, nicht wahr?« meinte Snibril.
Glurk warf seinen Speer, und einer der Wächter schrie.
»Ja, viel besser«, bestätigte er.
Snibril stellte fest, daß man mit Speeren gut gegen Schwerter kämpfen konnte, solange man sie nicht warf. Wenn man damit zustieß, mußten die Klingen parieren. Als noch mehr Wächter hereinkamen, gelangte Glurks Bruder zu einer weiteren Erkenntnis: Es brachte auch Vorteile, dem Feind zahlenmäßig unterlegen zu sein. Zum einen wurde es dadurch einfacher, einen Gegner zu treffen. Und da es so viele von ihnen gab, war niemand allzu versessen darauf, aktiv am Kampf teilzunehmen. Warum etwas riskieren, wenn man die Möglichkeit hatte, alles Gefährliche anderen Leuten zu überlassen?
So denken die Deftmenen , dachte Snibril, als er mit einem Speer zuschlug – er zerbrach auf dem Kopf eines Mouls. Man wähle immer einen größeren Feind, denn er ist leichter zu treffen …
Plötzlich stand er Rücken an Rücken mit Bane, der noch immer auf seine Tick-tock-Art kämpfte, so als sei er den ganzen Tag dazu imstande.
»Mein Speer ist zerbrochen!«
»Dann nimm ein Schwert!« Bane parierte den Hieb eines verzweifelten Wächters. »Es liegen genug auf dem Boden.«
»Aber ich weiß nicht, wie man damit umgeht.«
»Ganz einfach: Das stumpfe Ende gehört in die Hand, das spitze stößt man in den Gegner.«
»Sicher steckt noch mehr dahinter.«
»Ja. Man darf die beiden Enden nicht miteinander verwechseln.«
Und dann war es vorbei. Die wenigen überlebenden Wächter traten sich gegenseitig auf die Füße – so eilig hatten sie es, den Saal zu verlassen. Gorasch lebte nicht mehr. Der dürre Moul wich einem letzten Hieb des Generals aus und sprang durch die offene Tür in den Geheimgang. Schritte hasteten die Treppe hinab.
Snibril blickte auf sein Schwert. Blut klebte an der Klinge, und er hoffte, daß es nicht von ihm selbst stammte.
»Eigentlich war's gar nicht so schwer«, meinte Glurk.
»Draußen gibt es Hunderte von weiteren Gegnern«, mahnte Bane.
Brocando trat zum Balkon. Frühes Morgenlicht glitt über die Haare, als der Zwerg die Hände hob und sie trichterförmig vor dem Mund wölbte.
»Ich bin zurüüüüück! Brocandoooo!«
Er packte einen toten Moul, zerrte ihn zum Balkon und schob ihn übers Geländer.
Es standen bereits einige Deftmenen unten auf dem Platz. Sie jubelten.
Der König rieb sich die Hände.
»Helft mir mit dem Thron!« bat er.
Zu dritt richteten sie ihn auf, und darunter kam Antiroc zum Vorschein. Glurk zerrte ihn auf die Beine und hielt ihn einem schlaffen Bündel gleich fest.
»Gib mir die Krone«, sagte Brocando in einem Tonfall, der nichts Gutes verhieß. »Damit meine ich das Ding auf deinem Kopf. Jenes Objekt, das dir nicht zusteht.«
»Wir hielten dich für tot …«
»Und jetzt scheinst du dich sehr über meine Rückkehr zu freuen«, brummte Brocando. Ein Blick in sein Gesicht genügte, um entsetzt zu sein.
»Jemand mußte dich als König vertreten. Ich wollte nur das Beste für unser Volk …«
Draußen kam es zu Unruhe. Ein Moul taumelte durch die Tür, und ein Pfeil steckte in seinem Leib. Er fiel, und fünf oder sechs Deftmenen stiegen über ihn hinweg. Entschlossene Schritte führten sie zu Antiroc. Sie schenkten Brocando keine Beachtung, packten seinen Bruder und trugen ihn zum Balkon.
»Das kannst du nicht zulassen!« rief Snibril.
Vier Deftmenen ergriffen Antiroc an
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