Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
Rotholz und glänzenden Lack von Einstuhlbein , um die Straßen zu pflastern. Vom Kaminland aus führten sie große Karawanen an, die erlesenen Gagat transportierten, bestimmt für Kuppeln und Gesimse, außerdem Zinder und Asche für Ziegel und Mörtel. Im fernen Hochtorland der Vortgorner tauschten sie Lackwaren gegen gehämmerte Bronze für Türen und Säulen. Schwitzende Pferde zogen große Salz- und Zuckerkristalle durch den Haarwald, bestimmt für Wände und Dächer. Des weiteren brachten die Schlauen unterschiedlich gefärbte Haare aus allen Teilen des Teppichs herbei. Aus einigen davon entstanden Bretter und Dachsparren, doch andere pflanzte man in der Nähe des Ortes.
Überall gab es Gärten. Im verblassenden Licht des Abends wirkte alles friedlich, doch zweimal mußten sich die Munrungs und ihre Begleiter verbergen, als Patrouillen aus Moul-Reitern vorbeikamen.
»Sie beherrschen meine Stadt«, ächzte Brocando.
»Ich hoffe, du hast einen Plan«, sagte Bane.
»Es gibt einen anderen Weg hinein«, erwiderte der Zwergenkönig.
»Das wußte ich nicht.«
»Tatsächlich nicht?« Brocando gab sich erstaunt. »Na so was! Erst gaben wir uns soviel Mühe, einen geheimen Zugang zu konstruieren, und dann vergaßen wir, den Gebieter davon zu unterrichten. Erinnere mich daran, ihm eine Nachricht zu schicken. Jetzt nach rechts zu dem kleinen verborgenen Weg da drüben«
»Welchen Weg meinst du?«
Brocando lächelte. »Gut, nicht wahr?«
Es sah nach einem Wildpfad aus, und er führte in Schlangenlinien an den Haaren vorbei. In diesem Bereich wuchsen noch dichtere Staubbüsche.
»Gepflanzt«, erklärte Brocando.
Als es fast ganz dunkel geworden war, erreichten sie eine kleine Lichtung mit einer weiteren Tempelruine.
»Hier bleiben die Tempel nicht lange von Bestand, oder?« fragte Snibril und sah sich um. Hier und dort standen Statuen, von Staub bedeckt.
»Dieses besondere Exemplar wurde bereits als Ruine gebaut«, sagte Brocando. »Von den Schlauen. Für einen meiner Vorfahren. Der dort drüben, mit dem Vogelnest auf dem Kopf und den hoch erhobenen Armen …« Er zögerte und sah den General an. »Du bist ein Dumii, und ich habe dich zum geheimen Ort geführt. Ich sollte dir eine Augenbinde anlegen lassen.«
»Nein«, entgegnete Bane. »Wenn du willst, daß ich für dich kämpfe, mußt du auf eine Augenbinde verzichten.«
»Aber eines Tages kommst du vielleicht mit einem Heer zurück.«
»Ich bedaure sehr, daß du so denkst«, sagte Bane steif.
» Ich bedaure es nicht «, brummte Brocando. »Als König muß ich so denken.«
»Ha!«
»Das ist doch Unsinn«, warf Snibril ein. »Warum Zeit mit einer Augenbinde verlieren?«
»Eine reine Vorsichtsmaßnahme«, verteidigte sich der Zwerg.
»Früher oder später müssen wir lernen, einander zu vertrauen«, sagte Snibril. »Euch bleibt gar nichts anderes übrig. Ihr seid doch Ehrenmänner, oder?«
»So einfach ist das nicht«, klagte Brocando.
»Dann macht es einfach!«
Er begriff plötzlich, daß er geschrien hatte. Selbst Glurk war verdutzt.
»Jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt für einen Streit«, fügte Snibril etwas ruhiger hinzu.
Brocando nickte. »Ja. Na schön. Vielleicht hast du recht. Ich bin sicher, er ist ein ehrenwerter Mann. Zieht an Brocs Arm!«
»Wie bitte?« fragte Bane.
»Hinter dir. Die Statue. Zieh sie am Arm!«
Der General zuckte mit den Schultern und streckte die Hand nach dem Arm aus.
»Zum erstenmal greift ein Dumii nach der Hand eines Deftmenen«, sagte er. »Wohin das wohl führen mag …«
Etwas knirschte unter ihren Füßen. Eine Platte des Tempelbodens geriet in Bewegung und schob sich beiseite. Darunter kamen Stufen zum Vorschein.
»Auf diese Weise gelangen wir zum Palast.« Brocando lächelte jetzt wieder.
Sie starrten in die Dunkelheit hinab.
»Sollen wir etwa in die … Unterlage? « brachte Glurk schließlich hervor.
»Ja!«
»Aber … aber … Dort unten lauern grauenhafte Ungeheuer.«
Brocando winkte ab. »Das sind nur Geschichten, mit denen man Kinder erschreckt. Da unten gibt es nichts Angsterregendes.«
Er trat über die Stufen. Bane machte Anstalten, ihm zu folgen, blieb noch einmal stehen und sah zu den Munrungs zurück.
»Was ist los?« fragte er.
»Nun …«, begann Snibril. Was soll ich sagen? Geschöpfe aus uralten Sagen und Legenden leben dort unten: Thunorgs, die gräßlichen Graber, Schattenwesen ohne Namen. Geschöpfe, die an den Wurzeln des Teppichs nagen. Die Seelen der Toten. Alles
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