Die Terranauten 003 - Das Kaiser-Komplott
die Wände, die die Menschen gegen den Weltraum abschirmten, und in der violetten Finsternis draußen schienen sich Augen zu öffnen, die gierig auf die Loge starrten.
»Sie geht!« sagte Rollo flüsternd, als habe er Angst, eine Schlafende zu wecken. »Ich kann sie schon nicht mehr erreichen. Jemand ist bei ihr, der sie mitnimmt.«
Narda schluchzte. Ihr ganzer Körper bebte. Asen-Ger packte ihr Handgelenk mit einem eisernen Griff.
»Schließt den Kreis!« befahl er, und seine Stimme hallte dröhnend in dem lastenden Schweigen. »Oder wollt ihr alle hierbleiben?«
Es war Llewellyn, der die Initiative ergriff. Er zog Narda zu sich herüber und umschloß Rollos schweißfeuchte Hand.
»Die Blüte!« sagte er eindringlich. »Seht nur auf die Blüte! Alles andere bedeutet nichts! Es gibt nur die Blüte!«
Die Hände der fünf verbliebenen Logenmitglieder krallten sich ineinander. Jeder suchte Schutz bei seinem Nachbarn.
Die leuchtende Blüte in der Schale lag still, mit halb geschlossenen Blättern. Wenn das Schiff jetzt im realen Universum materialisierte – wo mochten sie sich wiederfinden?
Llewellyn 709 schloß die Augen. In der Dunkelheit sah er ein leuchtendes, weitgefächertes Farbenprisma. Ziellose, freigesetzte PSI-Kraft, die von den Treibern nicht mehr unter Kontrolle gehalten wurde. Er sammelte seine Kraft. Sein suchendes, ruhiges Bewußtsein berührte die Gedankenform Nardas, erkannte Greeny und Whity und schließlich Rollo, in dem es nur noch Angst gab.
Asen-Ger ging um den Tisch herum. Der Boden unter seinen Füßen schien nicht mehr fest, die Umrisse des Kommandostandes zerflossen. Seltsamerweise empfand er gar keine Furcht. Nur Neugier.
Er hob La Strega aus ihrem Sessel und lehnte sie in sitzender Stellung gegen die Wand der Kabine. Während er ihre stieren Augen betrachtete und dem plappernden Singsang lauschte, der aus ihrer Kehle drang, dachte er an Wega-Little, ihren Heimatplaneten. Er war zerstört worden, angeblich durch ein kosmisches Unglück, doch hielt sich hartnäckig das Gerücht, bei diesem Unglück hätten die Grauen ihre Hand im Spiel gehabt.
Da ist jemand, der sie mitnimmt! hatte Rollo gesagt. Asen-Ger vergaß den schweigenden Kampf, den Llewellyn hinter ihm gegen die Verstörtheit der Treiber ausfocht.
Wem sie wohl dort draußen begegnet ist? dachte er. Ist es meine Schuld, daß ihr Bewußtsein außer Kontrolle geriet?
Er stützte sich mit einer Hand auf den Boden, um aufzustehen, als ein schrilles Tosen in seinen Ohren explodierte. Wie ein mißhandeltes Lebewesen bäumte das Treiberschiff sich gegen ein unsichtbares Hindernis, das seinen Weiterflug hemmte.
Asen-Ger stürzte vornüber und umklammerte den hilflosen Körper der Hexe mit beiden Armen, während das Weltall sich in einem übelkeitserregenden Wirbel aus Farben und Tönen um ihn drehte. Ihm war, als würde er nach vorne geschleudert und wieder zurück und erneut vorwärts, als existiere das künstliche Schwerefeld des Raumschiffes nicht. Und immer war dieses Kreischen in seinem Kopf.
Die FENRISWOLF kämpfte sich in ruckartigen Schüben durch Weltraum II, dessen rätselhafte Leere sich in einen See aus zähem Schleim verwandelt zu haben schien. In diesem Universum, das die Menschheit sich nutzbar gemacht hatte, ohne es zu verstehen, gab es Bewußtseine. Und diese Bewußtseine verhielten sich wie Raubtiere, denen eine sicher geglaubte Beute entkommt.
Doch an Bord des Treiberschiffes blieb niemandem Zeit, über die Beschaffenheit von W II nachzudenken. Ein zuckender, taumelnder PSI-Strom trieb die vollerblühte Mistel in wirren Linien durch die Schale. Tränende, blutunterlaufene, halb blinde Augen verfolgten ihren unsicheren Weg, bis der Stiel der Blüte sich auf den Grund der Schale senkte und sich senkrecht über das Symbol von Terra stellte.
Das Kreischen verstummte, die zuckenden Farbblitze verschwanden, und das Schwanken des Schiffes hörte auf. Ein häßlicher schwarzer Vorhang wurde von den Fenstern zurückgezogen, und die vertrauten Sternbilder wirkten beruhigend. Die FENRISWOLF glitt ruhig in die Erdumlaufbahn, so ruhig, als sei nichts Außergewöhnliches geschehen.
Asen-Ger erhob sich auf zittrigen Beinen. Erschöpft überblickte er, was aus seiner Treibermannschaft geworden war. Narda, die Zwillinge, Rollo und Llewellyn waren in ihren Sitzen zusammengesunken. Ihre Gesichter sahen aus wie Totenmasken, und sie waren zu ausgelaugt, um sich zu bewegen.
Nur La Strega schien von den Ereignissen unberührt.
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