Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten

Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten

Titel: Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Quint
Vom Netzwerk:
ein Vogel ohne Federn.« Leande bewegte schwerfällig ihren Kopf. »Ich träume oft von Schatten. Manchmal nennen sich diese Schatten Cloud und Llewellyn, und ich muß die Augen schließen, damit sie fortgehen und die wahre Welt erscheint.«
    Der Psyter fuhr sich über die Stirn. Angestrengt blinzelte er gegen die Sonne. Ein dunkler Fleck schien in dem Grün zu kleben. Er blinzelte wieder, entspannte sich. Die Welt war ein System zahlloser zusammenhängender Ereignisse, die aufeinander aufbauten, sich gegenseitig stabilisierten, bedingten. Die Welt war ein komplexes Muster kommunizierender Wahrscheinlichkeiten, ein Turm aus Myriaden Bausteine, ein Organismus mit Zellen aus Gras und Herzen aus Luft, Muskeln aus tektonischen Verschiebungen.
    Der Psyter war eins mit der Welt, harmonierte mit der Wirklichkeit, und der Tod einer Bakterie war so wichtig wie die Geburt einer Sonne.
    Sein Unterbewußtsein analysierte, verglich, sortierte aus.
    Zurück blieb Leande, eine Dissonanz in der Harmonie, ein verkrümmtes kleines Ding, das die Muster sprengte, die Muster, mit denen sich die Welt seinem Geist zu erkennen gab.
    Und da war noch etwas – etwas anderes, fremdes, nicht identifizierbares. Es war der Fleck am Himmel.
    Cloud öffnete die Augen und als er wieder nach oben sah, da hing der dunkle Fleck über ihm, aber er war jetzt groß wie ein Mensch.
    Er war kein Mensch!
    Der dunkle Körper war schlank, aber dennoch kräftig. Die langen Arme waren mit faltigen Flughäuten verbunden und verschafften dem Wesen das Aussehen einer riesigen Fledermaus. Das Gesicht war nasenlos, die Augen geschlitzt, der Mund ein horniger Strich, hinter dem spitze Zähne blitzten. Rund und groß klebten Ohren in Mundhöhe an den Seiten des haarlosen Schädels. Die Hände endeten in kurzen Krallen und besaßen sechs Finger. Um die Hüfte trug das Wesen einen ausgebleicht wirkenden Gürtel.
    In dem Gürtel steckte ein speerartiger Gegenstand.
    Das Wesen war intelligent! dachte Cloud verblüfft. Unwillkürlich machte er einen Schritt nach vorn, auf das knapp über dem Boden flatternde Geschöpf zu, und hob beide Arme zum Zeichen des Friedens.
    Der Fremde stieß unvermittelt einen schmerzhaft grellen Pfiff aus. Sein nichtmenschliches Antlitz verzerrte sich.
    Furcht? Zorn? Lächeln?
    In Bruchteilen einer Sekunde entfalteten sich die Schwingen zu voller Größe. Scanner Cloud wurde völlig überrascht. Rein instinktiv warf er sich zur Seite, und das Fledermauswesen huschte pfeifend an ihm vorbei. Es streifte ihn mit den ledrigen Flügeln, so daß er stürzte und hart auf dem Grasboden aufprallte.
    Rasch verschwand der Fremde im Smaragdgrün des Himmels.
    Scanner Cloud rieb sich das schmerzende Knie.
    Das Unglaubliche war eingetroffen. Sie hatten hier draußen zwischen den Milchstraßen, auf dem einzigen Planeten der Außenseiter-Sonne Moloch, eine intelligente Lebensform entdeckt.
    Er dachte an das X hinter der Sternkatalognummer des grünen Sterns. X wie Gefahr.
    Der Psyter fröstelte trotz der angenehmen Wärme des Tages.
    Vielleicht war das Schwarze Loch nicht die einzige Gefahr, die in dem Außenseiter-System lauerte …
     
    *
     
    Der Himmel wurde von den zahllosen Schwingen verdunkelt.
    Deschmarn-Drag bewegte müde die Arme. Er spreizte die Flughäute im aufkommenden Ostwind, aber er fühlte nicht die Kälte des Windes, nur die Furcht, die ihn auf seinem ganzen Rückweg begleitet hatte.
    Nie zuvor hatte er derartige Wesen gesehen. Nie zuvor hatte er eine fremde Ausstrahlung verspürt, die ihn so verwirrte. Die Fremden waren wie die Finner, dazu verdammt, am Boden zu leben. Nie hatten sie die Freiheit in den Wolken empfunden, die Stille der warmen Aufwinde, den Rausch beim langen Tanz am Himmel. Aber sie besaßen ein Nest, das größer war als alle Nester der Oomp Ashras zusammen, und dieses Nest gab Donner und Feuer von sich. Von einem Tag zum anderen war es in der Ebene erschienen. Es kam nicht aus den vertrauten Ländern, nicht vom Schwarzfluß, nicht von den Canyons, nicht vom Baumplateau.
    Es konnte nur aus dem Meer kommen.
    Deschmarn-Drag erschauerte und fügte sich in den Reigen der flatternden Ashras ein, die im Rhythmus der Pfiffe und Gesänge aus den Nestern den Gipfeln des Horstes Umkreisten.
    Im Zentrum des dreifachen Kreises geflügelter Leiber schwebte Ershmet-Lorn, der Alte, der Weise, der Lotse des Schwarms.
    Seine Schwingen waren grau, glichen dem Fels an den nahen Hängen, die weiter unten in flach abfallende Almen übergingen.

Weitere Kostenlose Bücher