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Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten

Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten

Titel: Die Terranauten 014 - Im Reich der Geflügelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Quint
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Seite, glitt dicht über den harschigen Schnee des Gletschers und sog in tiefen, gierigen Zügen die kalte Luft ein.
    Der Wind summte in seinen Ohren.
    Laut und kräftig pochte sein Herz.
    Rasch flog der glänzende Boden unter ihm vorbei, aus Schnee und Eis wurde grauer Fels, zerborstenes Gestein, das der Gletscher in Äonen zermalmt hatte. Hin und her war er gerollt, im Rhythmus des Weltenstillstandes, der wieder so nah war, daß der Ashra meinte, ihn bereits fühlen zu können.
    Dann verschwand der Fels unter einer dünnen, runzeligen Grasdecke, die bald kräftiger wurde und sich sanft zur Ebene hinunter neigte.
    Unwillkürlich ging Deschmarn-Drag tiefer, berührte fast die höchsten Grashalme, und dann erblickte er den letzten Schatten vom Meer, der reglos neben seiner runden Schwinge auf dem Boden kauerte.
    Er sieht mich nicht, dachte der Ashra erstaunt. Er ist blind wie der Schnee, taub wie das Eis!
    Vorsichtig ergriff der die Rauchblase, huschte pfeilschnell auf den Schatten zu, holte aus zum Wurf, doch dann …
    Die Überraschung ließ ihn fast abstürzen. Nur mit Mühe bewahrte er seine Höhe und verlangsamte mit einigen kräftigen, klatschenden Flügelschlägen seine Geschwindigkeit. Deschmarn-Drag kreiste in geringer Höhe über dem blinden, tauben Schatten vom Meer und lauschte.
    Der Schatten sang.
    Der Ashra verstand nicht die Worte, nicht ihren Sinn. Die Melodie war fremd, aber sie war warm wie die Gesänge des Schwarmes in der Nacht. Das Lied des Schattens war vertraut wie das Grün des Tageslichtes und fern wie die Wolken, die über das Meer trieben.
    Und Deschmarn-Drag erkannte seinen schrecklichen, nicht wiedergutzumachenden Irrtum, den Fehler, den die Ashras begangen hatten und der vielleicht ihr letzter sein würde. Die Schatten vom Meer kannten keine Lieder, keine Wärme wie dieser Fremde dort unter ihm. Die Schatten vom Meer waren wie der Gletscher, kalt und stumm.
    Das Geschöpf, das dort im Gras hockte, war kein Schatten, kam nicht vom Meer, dessen wütend brüllende Wellen jeden anderen Laut erstickten.
    Es war tragisch, es schmerzte ihn, verwundete ihn bis ins Innerste seiner Seele, aber es war geschehen. Sie, die Ashras, hatten die Hand eines zukünftigen Freundes nicht ergriffen, sondern abgewiesen.
    Der Schock lähmte seine Kraft, und er sank zu Boden.
    Das fremde Geschöpf hob den Kopf, sah ihn an, und irgendwie, auf eine unbestimmte, nicht erklärbare Weise erinnerte es ihn an Shona-Sset, an die Glut ihrer Augen, ihres Leibes.
    Der Jäger legte die Rauchblase ins Gras, ließ seinen Spieß achtlos fallen, legte die Flughäute an und erwartete den tödlichen Stoß.
    Aber nichts geschah.
    Ganz dicht stand das fremde Geschöpf vor ihm und er spürte fremdartige, weiche, warme Finger auf seinem Gesicht. Dann sagte es etwas und es klang wie: »Leande.« Es deutete hinauf zur Steilwand, dorthin, wo seine beiden Gefährten eingerollt in den Traghäuten verschwunden waren.
    Deschmarn-Drag verstand.
    Das Geschöpf namens Leande, das nicht vom Meer, nicht vom Land und nicht vom Himmel kam, dessen Ursprung irgendwo hinter den Schatten des grünen Lichtes liegen mußte, wollte seinen Gefährten folgen.
    Der Ashra schwang sich empor und beobachtete erstaunt, verblüfft, wie das Geschöpf namens Leande die runde, summende Schwinge bestieg und ebenfalls zu steigen begann.
    Wir müssen uns beeilen, durchzuckte es den Jäger. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät! Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!
     
    *
     
    »Schneller, ihr Würmer, ihr Drecklumpen, ihr nichtsnutzigen Faulpelze!« brüllte der Lore Solvan von Vrest. Zorn pulsierte hinter seiner Stirn und er brüllte wieder, spürte mit grimmiger Zufriedenheit, wie sie unter der Posaune seiner Stimme zusammenzuckten und verzweifelt versuchten, ihre großen Ohrmuscheln von ihm abzuwenden.
    Das geschah ihnen recht, diesen Bauerntölpeln, diesem Abschaum von Neuzen Vrest, den nur Hiebe und schmerzende Schreie zum Arbeiten und Kämpfen zwingen konnten.
    Seine Ohren zuckten, empfingen unzählige Schallvibrationen; das Poltern der Schritte auf dem eisigen, glatten Boden, das Säuseln des Windes, das metallene Klappern der Musketen, das Knirschen des sechsrädrigen, robusten Wagens, auf dem das Schmorfeuerkatapult hin und her ächzte. Tausend Laute, die gleichzeitig sein superempfindliches Trommelfell trafen und ihm ein Bild der Welt lieferten, das strahlender und übersichtlicher war als es je ein irdischer Mensch mit den Augen kennenlernen würde.
    Und

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