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Die Terranauten 016 - Gestrandet auf Rorqual

Die Terranauten 016 - Gestrandet auf Rorqual

Titel: Die Terranauten 016 - Gestrandet auf Rorqual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conrad C. Steiner
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anschließenden Blüten strömten einen beinahe betäubenden Geruch aus, der sich schwer auf seine Lungen legte. »Ich habe gehört, daß diese Gewächse müden Wanderern gelegentlich Quartier bieten«, sagte er, »stimmt das, Sir Justin?«
    Der Dicke nickte. »Oh ja. Bloß darf man nicht zu lange in ihnen bleiben. Wenn der Morgen graut, schließen sie ihre Kelche zur Gänze und verharren so mehrere Stunden. Wenn man kein Messer bei sich hat, um sich dann einen Weg in die Freiheit bahnen zu können, ist man unwiderruflich verloren und erstickt.«
    David schüttelte sich. Gut, daß er danach gefragt hatte.
    Die Schneise endete nach etwa zweihundert Schritten und mündete auf eine Lichtung, die von einem großen Zelt eingenommen wurde. Ein kleiner, magerer Mann, der nur ein Auge besaß, näherte sich ihnen mit eiligen Schritten und rief schon von weitem:
    »Sie sind alle weg, Herr Justin! Ich bin ganz allein!«
    »Was meint er?« fragte Thorna.
    »Meine Arbeiter.« Die Stimme Justins klang betrübt. »Mein Bruder hat meinem Projekt die ganzen Arbeitskräfte entzogen. Ich weiß es seit heute morgen.« Er biß sich auf die Unterlippe.
    Im Inneren des Zeltes zeigte ihnen Justin das, was er bisher bereits erreicht hatte. Die Ballonhülle war fast fertig. Sie lag auf einem riesigen Tisch ausgebreitet und es bedurfte nur noch weniger Nadelstiche, um die wenigen Bahnen, die noch fehlten, um ihm das richtige Format zu geben, anzufügen. Die Gondel – sie konnte sechs Reisende aufnehmen – bestand aus Holz und war mit einem Geländer versehen. Mehrere Säcke, die offensichtlich Sand oder Gestein enthielten, lagen herum. Justin wies sie darauf hin, daß es unerläßlich sei, Ballast an Bord zu haben, den man abwerfen könne, sollten Abtriebe den Ballon zu nahe dem Boden der Welt entgegendrücken. Obwohl David terGorden nicht viel von derart antiquierten Transportmethoden verstand, war ihm dennoch schon beim Anblick von Justins Berechnungen klar geworden, daß sein Konzept keinerlei Fehler enthielt. Auch auf der Erde hatte man in früheren Jahrhunderten derartige Experimente mit Ballons unternommen. Es sollte sogar welche gegeben haben, die tausende Kilometer zurücklegten, bevor ihnen endgültig die Luft ausging.
    »Ich hoffte, in zwei Tagen fertig zu sein«, sagte Justin. »Aber jetzt … bei diesem Arbeitskräftemangel …« Er deutete auf seinen einäugigen Helfer. »Sandor ist fleißig, aber er kann mit seinem einen Auge nicht nähen. Er schafft es nicht, eine Linie einzuhalten.«
    »Es wäre uns eine Freude«, sagte David, »wenn wir Euch bei diesem Projekt unterstützen dürften, Sir Justin. Wir sind zwar im Gegensatz zu Euch blutige Laien, aber vielleicht …«
    Justin strahlte. »Das wollt Ihr wirklich für mich tun? Ihr wißt ja gar nicht, wie dankbar ich Euch bin, Sir David!« Er ergriff Davids Hände und drückte sie. »Oh – wie ich sehe, tragt Ihr diese Kette nicht mehr! Was ist aus Eurem Gelübde geworden, mein Freund? Ihr habt es doch nicht etwa gebrochen?«
    David schüttelte den Kopf. Er kam sich unehrlich und wie ein Heuchler vor, aber er durfte die Vorstellung, die dieser Mann von ihm hatte, jetzt keinesfalls zerstören.
    »Ich habe es erfüllt, Sir Justin«, erwiderte er, »und zwar Wort für Wort. Ich versprach meiner Familie, von meiner weiten Reise mit einer Idee zurückzukehren, die das Transportwesen Rorquals revolutionieren wird! Mir war nie ganz klar, an was ich dabei dachte, aber seit gestern abend weiß ich es! Ihr habt mich darauf gebracht! In weniger als einem Jahr – dessen bin ich sicher – wird meine Familie keine Reederei mehr betreiben, sondern eine Ballonmanufaktur! Ich bin davon überzeugt, daß Eure Idee sich binnen kurzem durchsetzen wird.«
    In Justins Augen schimmerten Tränen. »Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet, Sir David«, sagte er mit zitternder Stimme. »Ihr seid der erste, der die Wichtigkeit meiner Idee erkennt. Ich fließe über vor Dankbarkeit. O, gäbe es doch nur mehr Menschen wie Euch! Darf ich es wagen, Euch und Eurer charmanten Begleiterin das Angebot zu machen, beim ersten Ballonflug meine Gäste zu sein?«
    »Wir fühlen uns sehr geehrt«, sagte David, biß sich auf die Unterlippe, damit man ihm den Triumph nicht allzu deutlich ansah.
     
    *
     
    Gegen Mittag kehrten sie zum Kastell zurück. Justin, der Thorna unbedingt mit seinen Schwestern bekanntmachen wollte, ließ David am Haupteingang zurück und überquerte plaudernd mit dem Mädchen den Burghof.

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