Die Terranauten 032 - Die Verbannten von Oxyd
jedenfalls. Dasselbe gilt auch für euch. Wir schließen einen Pakt und dieser Pakt soll gelten, solange wir leben.«
Sie reichte Quendolain die Hand.
Die ehemalige Queen ergriff sie bewegt. Die Erkenntnis, daß sie und ihre Leute längst den Kontakt mit Weltraum II verloren hatten, hatte ihr arg zugesetzt, aber jetzt sah sie, daß Phönix zu einer neuen Heimat geworden war.
Sie spürte keine Trauer mehr.
*
Die Zeit verrann und war nicht meßbar. Keiner der Veränderten von Phönix konnte sagen, wie lange sie schon hier waren.
In der ersten Zeit rang man um das Leben der Verletzten. Für einige war es zu wenig.
Queen Somar-Ellen führte ein Tagebuch – nach der uralten Methode mit Bleistift und Plastikfolie anstelle von Papier. Computeraufzeichnungen brachten wirre Ergebnisse, denn die Elektronik der Geräte versagte.
Die Queen schrieb: »Wir sind jetzt nur noch vierzig. Ich glaube, daß die Leute, die ihren Verletzungen erlagen, sich einfach nicht genügend an Phönix anpassen konnten. Bei uns ist die Anpassung erfolgt. Wir haben uns verändert – nicht nur seelisch, sondern sogar körperlich. Trotzdem: Die Veränderung ging nicht so schnell vonstatten, daß wir uns nicht hätten daran gewöhnen können.
Es gibt kein Gestern, kein Heute, kein Morgen, sondern nur rote Wüste mit sanften Hügeln in der Ferne und einen grünen Himmel. Das einzige, was uns anfangs etwas Halt gab, war das Wrack der TERRA I und die Überreste, meines ehemaligen Schiffes HADES. Wie ein Mahnmal wirkt es.
Aber auch die TERRA I ist anders geworden. Die Computer funktionieren nicht mehr, und das Metall färbte sich so rot wie die langweilige Wüste. Das Raumschiff wurde zu einem Bestandteil von Phönix – wie wir selbst.
Soll ich das bedauern? Nein, im Gegenteil: Ich fühle mich wohl in meiner Rolle.
Hauptmann Ramus geht mir übrigens aus dem Weg. Die versprochene Auseinandersetzung findet wohl nie statt. Wir waren damals beide in einer besonderen Streßsituation, die ich heute nicht mehr begreifen kann. Ihm ergeht es gewiß nicht anders. Daraus resultiert auch seine Unsicherheit, wenn er mir begegnet. Ich bin froh, daß er sich nicht um mich kümmert. Ich empfinde etwas für ihn, was mich erschreckt, weil ich es nicht kenne. Schließlich bin ich in erster Linie eine Queen und hatte kaum Gelegenheit in meinem Leben, mich als Frau zu fühlen.
Und Ramus ist in erster Linie ein Hauptmann und erst in zweiter Hinsicht ein Mann!
Ich weiß nicht, was daraus noch wird, will es auch nicht wissen. Wie gesagt: Ich fühle mich im Moment sehr wohl in meiner Rolle.
Noch etwas: Die Nahrungsmittelvorräte der TERRA I wurden bislang nicht in Anspruch genommen. Keiner verspürt Hunger oder Durst. Ein Phänomen, das nur auf die Veränderung zurückzuführen sein kann. Phönix hat uns als seine Bestandteile anerkannt und versorgt uns mit allem.
Wir ernähren uns von seinen Energien!
Vorhin fand eine Lagebesprechung statt. Zum ersten Mal seit all der Zeit saß ich neben Hauptmann Ramus. Er rückte von mir ab. Absichtlich oder unbewußt? Ich rückte jedenfalls nach, und er blieb sitzen.
Wir sprachen alle über unsere Situation. Die Besprechung fand in den Notunterkünften statt, denn niemand fühlt sich noch an Bord des verwandelten Schiffes wohl. Kein Schalter läßt sich mehr bewegen. Die Energieaggregate rühren sich nicht, wenn man sie anwerfen will, und sehen aus wie Attrappen. Zu mehr taugen sie auch nicht.
Ja, Quendolain hat zu uns allen gesprochen. Es sieht so aus, als würde sie manchmal darunter leiden, daß die ehemalige Besatzung der TERRA I ihre Verbindung zu Weltraum II verloren hat. Oder irre ich mich? Jedenfalls hat sie schon wieder davon geredet. Sie sagte, daß wir alle Kinder von Phönix geworden sind und daß wir das keine Sekunde lang bedauern sollten. Auch sprach sie an, daß sich bisher bei keinem von uns so etwas wie Heimweh entwickelt hätte. Dies sei ebenfalls als normal zu betrachten.
Und dann ließ sie gewissermaßen die Katze aus dem Sack: Phönix bildet ein eigenes Universum, aber wir wissen alle, daß er durch den Außerirdischen Cantos aus dem irdischen Sonnensystem verbannt wurde. Quendolain vertritt die Theorie, daß Phönix in Weltraum II weilt, und zwar immer noch. Daß er sich von Weltraum II nur durch ein Energiefeld abkapselt. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß Phönix als ein Fremdkörper von Weltraum II betrachtet wird und als solcher vielleicht wieder nach Weltraum I abgestoßen werden
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