Die Terranauten 064 - Planetensterben
fühlst du dich auf dieser nackten Ebene wohl?«
Sie lächelte. »Natürlich nicht.«
»Die Menschheit entstand in Höhlen. Warum sollten wir als Kinder dieser Menschheit nicht in Höhlen zurückkehren?«
»Eine ausgezeichnete Idee. Vielleicht gibt es dann wieder eine Gelegenheit, allein zu sein! Armer Kerl, schließlich sind wir seid Tagen von anderen umringt.«
»Wieso bedauerst du mich?«
»Du hast recht, denn ich leide genauso.«
Sie küßten sich kurz. Dann wandte Quendolain sich wieder an die Versammelten: »Hört meinen Vorschlag: Wir ziehen zu den nahen Bergen und suchen uns einen Lagerplatz, von dem aus wir operieren können.«
Alle stimmten zu. Die Gruppe der vierzig Gefährten setzte sich in Bewegung.
Daktar deutete mit dem Daumen auf Ramus.
»Die beiden sind zu beneiden. Die kann kein Mensch beobachten.«
*
Der Weg war weit und beschwerlich. Als sie den Bergen näher kamen, wirkten sie wie Pappkulisse. Eine deprimierende Erkenntnis.
Der Eindruck verschwand erst, als sie die ersten Ausläufer erreichten. Sie klopften gegen die großen Felsbrocken, die anscheinend ein Riese hingewürfelt hatte. Sie waren stabil und so schwer, daß man sie nicht bewegen konnte.
Erleichtert gingen sie weiter. Keiner verschwendete einen Gedanken daran, was sich wohl hinter den Bergen befand. Das Nichts? Eine unwichtige Frage, der man sich erst zuwenden konnte, wenn das Wichtigste erledigt war.
Quendolain dachte kurz an die Bedeutung der Berge im Aberglauben. Wem es schlechtging, der sah hinter den Bergen das gelobte Land. Wem es gut erging, der fürchtete sich vor einer Gefahr, die hinter den Bergen lauerte.
Die Eigenschaft des Menschen, das Unbekannte nach Wunsch zu beurteilen, ist sehr ausgeprägt. Sie ist auch uns Veränderten noch zu eigen. Ein weiterer Beweis dafür, daß wir wieder mehr zum Menschsein zurückgefunden haben. Darf dies zu der Hoffnung Anlaß geben, daß die Reise des Todesasteroiden endlich vorbei ist?
Daktar störte ihre Gedankengänge: »Ich hoffe, daß wir wirklich einen guten Platz finden, an dem wir uns niederlassen können, sonst sehe ich schwarz.«
»Inwiefern?«
»Noch haben unsere Gefährten Hoffnung, doch der Mensch braucht einen Halt – etwas, das ihm Sicherheit und vielleicht auch das Gefühl von Geborgenheit gibt. Es war die Triebfeder der Nomaden, die ein Leben lang danach suchten, ohne es zu finden. Es war auch das Motiv für die ersten Menschen, die seßhaft wurden.«
»Warum sollte es in diesen Bergen keine Höhlen geben?« fragte Quendolain. »Du neigst zum Pessimismus?«
Daktar wiegte bedenklich den Kopf. »Ich weiß nicht recht. Weißt du, hier ist alles zu friedlich, zu beschaulich. Sanfter Wind streicht über die kahle Ebene. Die Berge erscheinen wie ein Zufluchtsort und wirken überhaupt nicht mehr wie billige Kulisse. Möglicherweise warten die Höhlen schon auf uns – fertig bewohnbar!«
»Ich verstehe deine Skepsis noch immer nicht, Daktar. Alles, was du sagst, müßte dich eher zum Optimismus bewegen.«
Er ballte die Hände zu Fäusten und stieß hervor: »Ich traue dem Frieden nicht.«
»Vergiß dein Terranautendasein, bis es an der Zeit ist, die Erinnerungen daran wieder hervorzukramen, Daktar. Hier brauchst du nicht gegen Feinde zu kämpfen, weil es keine Feinde gibt. Oxyd birgt nur uns als Leben. Sonst nichts.«
»Bist du wirklich sicher? Wir haben die Gefährten aus dem Chaos in diese Oase gelockt. Das ist uns gelungen. Und wenn bei der Irrfahrt des Asteroiden Wesenheiten aus Weltraum II hergerieten? Denk daran, was wir früher erlebt haben. Es könnte sein, daß …«
»Schluß jetzt, Daktar! Du erzeugst auch in mir ein Gefühl der Unsicherheit. Aber das darf nicht sein. Solche Spekulationen können in der Gruppe eine Panik beschwören. Und was dann? Unsere Aufgabe ist zunächst, einen guten Lagerplatz zu finden, möglichst Höhlen, die wir beziehen können. Und dann schließen wir uns zu einer Superloge zusammen und versuchen, eine Ortsbestimmung durchzuführen.«
Daktar machte eine umfassende Geste. Sie sah in seine Augen und erkannte darin, daß es ihm Ernst war.
»Oxyd ist eine Todesfalle – auch für uns. Wir sind auf ihm gestrandet und können ihn nicht mehr verlassen. Wie denn auch? Und jetzt wirkt er gar nicht mehr wie ein vergleichsweise kleiner Asteroid, sondern vielmehr wie ein ganzer Planet. Kann es sein, daß er auf die Größe der Erde angewachsen ist? Oder ist alles nur reinste Täuschung unseres neuen
Weitere Kostenlose Bücher