Die Terranauten 069 - Die Bio-Invasion
der Schwebplatte saß, die beinahe lautlos über die grasenden Rinder hinwegglitt. Das Licht der Sterne und der leuchtenden Gaswolken in dieser Region der Milchstraße reichte aus, um sie sein Achselzucken erkennen zu lassen.
»Keine Ahnung. Unsere letzte Information aus dem Reich ist die, daß irgend so ein komischer Außerirdischer aufgetaucht ist, Camtus oder so heißt er, glaube ich.« Er grinste breit. »Vielleicht haben die Terranauten die Erde überfallen. Wer weiß?«
»Du hast ein Gemüt wie einer der Brüllochsen da unten«, zischte Fania aufgebracht. »Ist dir egal, was aus Maranyn wird? Was, meinst du, geschieht wohl, wenn nun nie wieder Versorgungsschiffe kommen?«
»Ich hab’ keine Ahnung. Ist mir eigentlich auch egal. Wir haben genug zu essen.« Er deutete nach unten. »Wir sind auf keine Nahrungskonzentrate angewiesen.«
»Zum Teufel!« Sie wurde lauter. Die Herde unter ihnen wurde unruhig. »Die anderen interessieren dich wohl überhaupt nicht?«
»Hast ja recht, Schwesterchen«, gab er zurück. »Das ist wirklich eine schlimme Sache. Aber was können wir schon tun, hm? Gar nichts. Oder glaubst du, du könntest einen Transporter aus dem Innenbereich herbeiwünschen, hm? Na siehst du. Wir sind keine wichtige Welt für Terra, weil wir keine Rohstoffe liefern, auch wenn wir zum Rohstoffring gehören. In Ordnung, die Lage ist schlimm. Und sie wird noch schlimmer werden. Nun gut. Wir haben wenigstens zu beißen. Und wenn uns die Vertretung von Original Food Interstellar von den Rindern da unten nicht genug abgibt, dann nehmen wir’s uns halt.« Er wurde nachdenklich. »Ich möchte nicht in der Haut der anderen stecken. Ich habe gehört, es gibt so gut wie keine Emotioblocker mehr. Wer auf einheimische Nahrung angewiesen ist, wird – auch nach der Entgiftung – an meteorotropen Leiden erkranken. Du glaubst, ich hätte den Ernst der Lage nicht erkannt, Mädchen. Du irrst dich. Die Hochkommissarin hat die Autarkie Maranyns erklärt.« Er lachte humorlos. »Die nächsten Jahre werden ein Kampf ums Überleben werden, und wir sind zumindest …«
Die Herde wurde noch unruhiger. Michel Tham unterbrach sich und blickte durch den Restlichtverstärker suchend hinab. »Da stimmt etwas nicht«, hauchte er. »Metamorpher? Oder vielleicht Kriecher?«
Fania schüttelte den Kopf. »Die kommen nicht soweit ins Weideland hinein.« Irgendwo ertönte ein tiefes, kehliges Knurren. Die Rinder bewegten sich unruhig. »Außerdem sind sie tagaktiv, wie du weißt.«
Michel hob den Arm, als er durch den Restlichtverstärker etwas zu erkennen glaubte. »Verändere den Kurs auf Grün 16«, wies er seine Schwester an. Die Schwebplatte neigte sich ein wenig zur Seite und glitt dann auf den Rand des Weidelandes zu. Fania glaubte, in der Nähe der hochaufragenden Bäume, die das Ende der Weiden kennzeichnete, huschende Bewegungen wahrgenommen zu haben.
»Ich werd’ verrückt!« keuchte Michel plötzlich. »Nun sieh dir das an: Kriecher, Metaträumer, Raiyh – alles tagaktive Tiere, die zudem noch an entgegengesetzten Stellen der Nahrungskette stehen. Und dann Blaukäfer, Zweispringer, Tausendstürmer … Und noch andere, die ich nie gesehen habe.«
Wieder ertönte der kehlige Schrei. Und dann, mit einemmal, brach das Chaos los. Tausende von Stimmen brüllten auf, und die gesamte Herde unter ihnen setzte sich in Bewegung.
Michel fluchte und richtete den Suggestivprojektor nach unten. Doch die beruhigenden Impulse richteten bei den aufgebrachten Brüllochsen nicht das geringste aus.
»Ruf Ashram!« rief er, um das Getöse zu übertönen. »Wir brauchen Hilfe, Verstärkung. Sonst haben wir die ganze Langnacht zu tun, um die Herde wieder einzusammeln.«
Fania versuchte es. Verwirrt sah sie vom Kommunikator auf. »Es … meldet sich niemand.«
Etwas im Innern der Schwebplatte kreischte hell auf, und ihr Gefährt neigte sich daraufhin sofort zur Seite. Fania und Michel hatten keine Zeit mehr, nach einem Halt zu suchen. Sie stürzten in die Tiefe und prallten hart auf lockere Erde. Fania sprang sofort wieder auf die Beine und ignorierte die Schmerzen in den Knöcheln. Sie hatten Glück gehabt. Die Herde stürmte knapp fünfzig Meter von ihnen entfernt in Richtung Südosten.
Über ihnen sirrte die Schwebplatte in der Dunkelheit davon. Fania half ihrem Bruder auf die Beine. Schwärme von mückenähnlichen Insekten summten an ihnen vorbei, ohne sich um sie zu kümmern. Diese Insekten, wußte Fania, wurden nur während zweier
Weitere Kostenlose Bücher