Die Terranauten 069 - Die Bio-Invasion
Infrarotstrahlen, die ein farbenprächtiges Muster bildeten, dem eine höhere Ordnung zugrunde zu liegen schien. Er schmeckte die Strahlenstürme von Rotriese, und das Gefühl einer vor Äonen stattgefundenen Zerstörung ernüchterte ihn. Nein, sagte er sich, nicht alles ist Einklang. Nicht alles befindet sich im Gleichgewicht. Der Wind streichelte das Singgras, das daraufhin heller klirrte und eine sphärenhafte Melodie anzustimmen schien.
Dann kehrte der Lauffresser zurück. Diesmal nicht dahinrasend, sondern in einem lockeren Trott. Er rieb seinen breiten Schädel an Reijonens Seite, und der Viertnovize bedankte sich für diese Liebkosungen, indem er mit beiden Händen über die Weitsinnerven des Läufers strich. Dann schwang er sich wieder auf seinen Rücken, und der rasende Lauf begann von neuem. Dihs spürte die Zufriedenheit, die nun das Innere des Lauffressers ausfüllte; er empfand den Geschmack der Mikroben, die sein Reittier während des Laufens mit seinen Siebmembranen in sich hineinschaufelte. Für einen Augenblick bedauerte er den Tod dieser Mikrolebewesen, doch dann sagte er sich, daß ihr Tod nicht wirklich war, sondern nur einer Umformung gleichkam.
Als sie das westliche Waldland erreichten, legten sie eine Pause ein. Der Viertnovize wartete, bis der Lauffresser in einem Schlummer versunken war, und entfernte sich dann einige Dutzend Meter, um seine Meditation zu beginnen. Wieder brannten seine Lenden, aber es war ein angenehmes, wohltuendes Brennen, das ihm eine andere, bis dahin nicht gekannte Welt eröffnete. In der Ferne, zwischen den hoch aufragenden Stämmen der Tanzlianen, ertönte der Lockgesang der Sirenenweber. Dann, als er seine Meditation fast beendet hatte, vermeldete sein Partner die Anwesenheit eines anderen Mitglieds einer Einsgemeinschaft. Reijonen drehte sich langsam um. Sein Blick fiel auf eine hochgewachsene Gestalt, die in eine Kutte ähnlich der seinen gekleidet war. Einige Meter dahinter hatte sich ein weiterer Lauffresser niedergekauert und wackelte mit dem Schädel.
»Gruß dir, Viertnovize«, sagte Dihs Reijonen leise und neigte den Kopf. Der andere Viertnovize, der von einer anderen Einsgemeinschaft auf den Langen Weg geschickt worden war, wiederholte die Geste.
»Ich beabsichtige, Lager und Körper mit dir zu teilen«, sagte der Fremde. »Ich bin Mahi Drahmen.«
»Sei willkommen, Mahi«, erwiderte Dihs und trat an den Fremden heran. Sie verbanden ihre Partner miteinander, um die Formalität des geistigen Einswerdens zu vollziehen. Mahi war der einzige Mirhyry, der bereits ein umfangreiches Wissen angesammelt hatte und dem er dennoch in die Augen blicken konnte. Ihr Status war derselbe. Sie waren beide Viertnovizen. Dihs spürte, wie sich das Brennen seiner Lenden verstärkte, ein Gefühl der freudigen Erwartung in ihm aufkeimte. Aus den Augen Mahis sickerte Wärme, als sie eine gemeinsame Meditation begannen und sich dann auf den Boden niederließen, der mit sanft nachgebendem Weichmoos bedeckt war.
Was werde ich sein? dachte Dihs aufgeregt. Zeugend oder empfangend? Doch kaum war dieser Gedanke in seinem Bewußtsein entstanden, da wußte er, daß es unwichtig war. Sexualität ist unteilbar.
Und während sie sich umarmten und sich ihre Partner ebenfalls miteinander verbanden, bildeten sich bei den beiden Frühjugendlichen die Geschlechtsorgane heraus. Die Partner steuerten den Hormonstrom, der diese Veränderung einleitete und vollzog.
Dihs Reijonen wurde zum empfangenden Element und spürte, wie Mahi, der daraufhin zum zeugenden Element geworden war, warm und weich in ihn eindrang. Hitze explodierte in Dihs, und ungeahnte Empfindungen durchzogen sein Innerstes wie ein nicht enden wollender Strom. Mahis Bewegungen wurden bald schneller und intensiver, ohne dabei hektisch zu sein. Dihs’ Körper paßte sich von ganz allein an.
Es gibt drei Sprachen, erinnerte er sich. Die Sprache des Geistes, die Sprache der Worte, und die Sprache des Körpers. Nur wer alle drei Formen der Mitteilung und Kommunikation beherrscht, kann Ganzmirhyry werden.
Der Höhepunkt war Hitze und Erfüllung zugleich, dem angenehme Erschöpfung folgte. Dihs war zum empfangenden Element geworden. Damit war eine seiner vielen Fragen beantwortet, denn dieses Geschlecht würde er bis zum Ende seines Individualseins behalten.
Die beiden Lauffresser hatten sich eng aneinandergedrängt und grunzten. Dihs und Mahi erhoben sich. Innere Wärme und die Wärme der Sonne Tordrig verbanden sich zu einer
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