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Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies

Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies

Titel: Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weiler
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deinem eigenen Ich. Vielleicht befindest du dich vor dir selbst auf der Flucht.«
    Der Fremde runzelte die Stirn.
    »Sieh mich an«, fuhr die Heilerin fort. »Eröffne mir deinen Geist. Vielleicht kann ich dein Wahres Ich erkennen und es dir zurückgeben.«
    Der Mann ohne Gedächtnis erhob keinen Einwand. Er blickte in die alten, dunklen Augen der Heilerin, und fast meinte er, darin etwas Vertrautes zu erblicken.
    Plötzlich stöhnte die alte Frau auf, senkte rasch den Kopf und erhob sich unsicher. Mit zwei raschen Schritten war sie an einem ledernen Beutel und schenkte daraus Wein in ihren Kelch. Sie atmete unregelmäßig und schwer.
    Der Mann wartete lange darauf, daß sie wieder sprach. Die Minuten verstrichen. Schließlich brach er das Schweigen, auch wenn er wußte, daß sich das für einen Hilfesuchenden nicht ziemte.
    »Was hast du gesehen, Weise? Was hat dich so erschreckt?«
    Die Heilerin nahm einen erneuten Schluck aus ihrem Kelch und schien sich nur langsam wieder beruhigen zu können. Sie kehrte an den Tisch zurück, setzte sich aber nicht. Sie vermied es, ihm in die Augen zu blicken.
    »Meine Kraft ist groß«, sagte sie. »Ich bin eine Heilerin. Viele Menschen kommen zu mir. Aus diesem Dorf und aus anderen. Sie suchen meine Hilfe, so wie du. Und ich helfe ihnen, so gut ich es vermag. Ich habe viel geleistet, sonst würden mich die Menschen nicht so verehren. Du aber …«
    Sie holte tief Luft.
    »Gegen die Macht, die in deinem Innern schläft, Fremder, bin ich ein Nichts. Du trägst das Zeichen der Magier zu Recht. Du bist einer der Großen, von denen unsere Legenden berichten. Wie kannst du da von mir erwarten, ausgerechnet ich könnte einem so Mächtigen wie dir helfen?«
    Der Mann schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin nicht mächtig«, widersprach er. »Meine Macht reicht nicht einmal so weit, mich in der Wüste vor dem Verdursten zu schützen. Wer bin ich, Heilerin?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht weiter in dich eindringen, Fremder. Ich darf es nicht. Es würde mir den Wahnsinn bringen. Aber es gibt jemanden, der dir helfen kann, der mächtiger ist als ich, mächtiger noch als du. Er wohnt im hohen Norden, in der Zone des ewigen Eises. Er wohnt im Innern eines mächtigen Baumes, von dem die Legenden sagen, er stütze den Himmel über unseren Köpfen. Er ist alt, uralt. Vielleicht ist er so alt wie die Ewigkeit selbst.«
    »Wie heißt er?«
    »Oh, niemand kennt seinen wahren Namen. Kaum ein Sterblicher hat ihn jemals gesehen. Es heißt, der Weg zu ihm sei sehr beschwerlich und von vielerlei Gefahren gesäumt. Ich kann dir eigentlich nicht raten, ihn aufzusuchen, denn es besteht die Gefahr, daß du ihn niemals erreichst. Aber du bist ihm verwandt. Er könnte dir sicher helfen.«
    »Wie erkenne ich ihn?«
    Die alte Frau lächelte mit geschlossenen Augen. »Oh, du wirst ihn erkennen, wenn du ihn siehst. Du wirst ihn spüren. Es heißt, er lenke die Geschicke dieser und anderer Welten. Und darum nennen wir ihn auch Lenker.«
    Der Fremde mit dem blonden Haar runzelte die Stirn. Lenker! Ihm war, als hätte er diese Bezeichnung schon einmal gehört, in einer anderen Welt.
    »Der Lenker hütet ein großes Wissen. Wenn du ihn erreichst, wird er dir helfen können.«
    Der Fremde erhob sich. »Ich werde ihn suchen. Ich werde ihn finden. Dank dir, Heilerin.«
    »Ich habe dir zu danken.« Ihr Blick ging in die Ferne. »Der Blick in dein Innerstes hat mich erschreckt. Aber er hat mir auch neue Möglichkeiten gezeigt. Ein winziger Bruchteil der in dir wohnenden Kraft ist in mich übergeströmt. Nicht ich habe dir, sondern du hast mir geholfen.« Sie lächelte. Es war ein dunkles, geheimnisvolles Lächeln. »Bleib über Nacht, Fremder. Die Kälte der Nacht würde dir Energie und Entschlossenheit rauben, die du morgen besser gebrauchen kannst.«
    Der Fremde nickte. Widerwillig fast. Und ungeduldig.
    »Du hast recht. Ich werde deinem Rat folgen und deine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen.«
    »So sei es.«
    Später, als sie sich zur Ruhe gelegt hatten, unterbrach die Heilerin ein letztes Mal die Stille.
    »Wenn du den Lenker triffst …«
    »Ja?«
    »Frage ihn nach einem Buch.«
    »Wie heißt dieses Buch?«
    »In den alten Legenden wird es oft erwähnt. Man nennt es das Buch Myriam …«
    Der Fremde erhob sich ruckartig. Stroh knisterte. »Myriam? Die junge Frau, die mich aus der Wüste rettete, hieß Myriam.«
    Schweigen. Dann, vielleicht eine oder zwei Minuten später: »Du mußt dich irren,

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