Die Terranauten 072 - Das Erbe im Eis
veränderten.
Ein Nicken. »Illusionsprojektoren arbeiten einwandfrei.« Ein Zögern. »Hoffentlich ist da drin niemand mit einem Desillusionator ausgerüstet …«
Ein kurzes Lachen. »Aber nicht doch, Brüderchen. Das würde ihnen doch den Spaß an der Party verderben …«
Zielstrebig schritten sie den Gang entlang. Das Stimmengewirr nahm zu. Sie passierten zwei Dämmervorhänge mit integrierten Identifikationsschleifen, die ihnen jedoch nichts anhaben konnten. Sie hatten diesen Abend lange und gründlich vorbereitet.
Schließlich mündete der Gang in eine Vorhalle. Spärlich bekleidete Mädchen liefen ihnen entgegen, lachten, kicherten, schlangen ihre Arme um sie. Sie kamen von der Agentur Glück und Erfüllung, der einzigen Agentur, deren Mitarbeitern auf diesem Gebiet der Status von Servis zuerkannt worden war. Die Mädchen verstanden ihr Handwerk und waren dementsprechend teuer. Nur Manags oder Generalmanags konnten sich in diesen Zeiten einen solchen Luxus leisten.
Von den Mädchen wurden sie weitergezogen, liebreizend, aber doch bestimmt. Auf diese Weise gelangten sie in eine Zimmerflucht, durch die mit Rauschmitteln durchsetzte Nebel zogen. Den beiden Männern konnten sie nichts anhaben. Die Filter in ihrer Nase absorbierten die Halluzinogene.
Unauffällig lösten sich die beiden Männer von den Agentur-Mädchen, trafen sich dann an der Bar. Das Summen des miniaturisierten magnetohydrodynamischen Generators ging vollkommen in dem Gedröhn schier vorsintflutlicher Musik unter. Die Bar war ein ineinander verwobenes Konglomerat aus allen möglichen geometrischen Formen. In den Konsumparzellen schillerten exotische Flüssigkeiten. Langsam wandten sich die beiden Männer um.
Eine APP …
Eine Abschaum- und Pöbel-Party …
Die beiden Männer sahen Relax mit rotgeränderten Augen, Anzeichen von übermäßigem Psychopharmaka-Genuß. Sie sahen Nomans mit verkohlten Gliedern, eingefallenen Wangen, hervorstehenden Rippen. Oh, und nicht zu vergessen die Treiber und Terranauten. Mehr als die Hälfte der hier Anwesenden hatte sich für einen Treiber entschieden. Triadische Monochorde glühten in den Dämmerungszonen, dort, wo die Mädchen der Agentur Glück und Erfüllung vermittelten.
»Ob tatsächlich ein PSI-Begabter hier ist?« fragte der Kleinere. Der andere schüttelte den Kopf.
»Nein, ich glaube nicht. Ich bin ziemlich sicher.«
Denn dann, sagte er sich, hätte man ihre Tarnung längst durchschaut. Er sah sich erneut um. Manags und Generalmanags. Nur sie, dachte er, können sich die Geschmacklosigkeit einer APP leisten. Aber vielleicht befinden sich tatsächlich ein paar echte Nomans und Relax unter den Gästen. Agenten der illegalen Gewerkschaften und Rätegruppen.
Nun, solche Gedanken waren unnötig und überflüssig. Sie waren nicht hier, um sich zu vergnügen. Sie hatten zu arbeiten.
Die beiden Männer lösten sich von der Bar und drängten sich zum Zentrum des Raumes. Hier wurden Zweikämpfe veranstaltet, Schaukämpfe, bei denen die noch gesunden Körperglieder einiger Nomans ebenfalls zu verkohlten Stumpen wurden. Brüllendes Gelächter. Taumelnde, langsame Bewegungen, die auf den Verzehr von Pseudozeit hindeuteten.
Im Hintergrund des Raumes unterteilte ein weiterer Dämmervorhang den verbliebenen Platz in ein Labyrinth aus mehrfarbigen Nischen. Geräuschdämpfer sorgten dafür, daß die dröhnende Musik nicht in voller Lautstärke bis hierher durchdrang. Holografie-Projektionen schwebten dicht über ihren Köpfen dahin.
In der ersten Nische vergnügte sich ein knapp neunzigjähriger, fetter Mann mit drei Agentur-Mädchen. Ineinander verschlungene Glieder, Stöhnen, gierige Blicke aus wäßrigen Augen.
In der zweiten lag eine aufgeschwemmte Frau, die alle viere von sich gestreckt hatte. Ihre Linke umklammerte einen silberfarbenen Gegenstand – ein Emo-Ei von Luther Acht.
Die dritte war leer.
Der Große blickte noch einmal auf sein Instrument.
»Wo ist sie?«
»Sie muß ganz nahe sein. Ich schätze, wir haben sie gleich.«
»Hoffentlich. Mich ödet das hier an.«
In der vierten gerieten sie in eine Kopulationsgruppe, aus der sie sich erst nach einer halben Stunde befreien konnten. In dieser Zeit waren ihre Illusionsprojektoren aufs äußerste belastet worden. Langsam blieben das Gekicher und stöhnende Geraune hinter ihnen zurück. Die beiden Männer hatten ihre Sensoverstärker desaktivieren müssen, sonst wären ihre Sinne durch die körperlichen Stimulierungen überlastet
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