Die Terranauten 091 - Die Sümpfe von Genessos

Kontakt erschien die Machtentfaltung der Loge nicht mehr so gigantisch. Als würde der Weltenbaum, den die Lenker angerufen hatten, diese Kräfte absaugen, um sie weiterzugeben.
    Und in der Tat: Der Weltenbaum leitete den Ruf nur weiter. Über das Weltraumstraßensystem wurden die Kosmischen Sporen angerufen.
    Nur sie würden es schaffen können, Genessos zu »heilen«, die Weltraummembran wieder funktionsfähig zu machen.
    Obwohl ich in diesen Augenblicken sicher war, daß das Leben auf Genessos nie mehr so sein würde wie zuvor.
    Die Genessaner hatten dieses Erlebnis der ständigen Bedrohung nicht umsonst hinter sich bringen müssen. Es würde zu einem Rassentrauma werden, mit nachhaltiger Wirkung auf die gesamte Gemeinschaft.
    Vor allem würde man alles unternehmen, um einer ähnlichen Katastrophe in Zukunft vorzubeugen.
    Die Genessaner hatten sich zu sicher gefühlt.
    Ein Ende des extremen Individualismus?
    Noch war die Rettung nicht erfolgt. Ich dachte schon an die Ergebnisse, als sie noch nicht greifbar geworden waren.
    Dessen bewußt zog ich mich weiter zurück. Es befand sich ein Abstand von zirka hundert Metern zwischen mir und der Loge. Jetzt hatte die Reststrahlung keinerlei Auswirkungen mehr auf mich. Ich lauschte in die PSI-Hölle des Alls und spürte die Störungen.
    Wieso erst jetzt?
    War ich durch den Aufenthalt auf Genessos besonders sensibilisiert worden?
    Ich versank in Trance und vergaß vorübergehend die Loge und ihren Ruf nach den Kosmischen Sporen.
    Die Membran war allgegenwärtig, und ich empfand sie wieder als hauchdünne, elastische, teildurchlässige, aber ansonsten ungeheuer stabile Haut. Dahinter war ein unwägbares Etwas, das ich weder begreifen noch fassen konnte. Unwillkürlich streckte ich meine Fühler danach aus.
    Es gelang nicht. Da war eine Blockade, die nicht etwa von der Haut hervorgerufen wurde, auch nicht von dem Etwas auf der anderen Seite.
    Es erfüllte mich mit Angst. Dieses Etwas wirkte auf einmal drohend, negativ, zerstörerisch. Wie ein lauerndes Ungeheuer hinter einer viel zu dünnen Mauer. Es konnte jeden Augenblick losspringen, die Mauer einreißen und mich überrennen.
    Ich schluckte schwer und zog meine PSI-Fühler zurück. Dabei dachte ich an die erwähnte Entität. Cantos hatte eine unbestimmbare Scheu davor, mehr über die Entität zu sagen. Es hatte im nachhinein den Anschein, als hätte er schon zuviel verraten – mehr, als ihm später lieb war.
    Ich war sicher, daß er auf gezielte Fragen keine Antworten mehr geben würde.
    Die Genessaner, ihre Gesellschaftsstruktur, ihre Rolle unter den Völkern der Galaxis, erschienen klar. Eine Sumpf- und Dschungelwelt ohne erkennbare technische Größe.
    Aber wie war das Raumschiff von Cantos entstanden, wenn es nirgendwo technische Anlagen gab?
    Ja, es gab Widersprüchlichkeiten, und die Genessaner waren nicht bereit, sie zu klären.
    Genausowenig, wie sie ihre Stellung unter den Völkern der Galaxis erklären wollten.
    Genessos war auf der einen Seite eine unglaublich primitive Welt, nach interstellarem Standard gemessen, denn Genessos kannte keine hochgezüchtete Zivilisation. Aller Fortschritt beruhte letztlich auf einer Besonderheit dieses Raumsektors. Dawos und seine Gefährten hatten außerhalb des Sektors keinerlei Überlebenschancen. Ihre Körper hatten nicht einmal Einrichtungen wie Verdauungs- oder Atmungsorgane. Sie waren willkürlich geformt. Ihre Körperformen folgten keinem ökologischen Zwang. Sie waren intelligente Geister mit völlig zufälligen Körpern, und ständig entstanden neue Körper.
    Nach den Äußerungen von Cantos (bevor ein Mensch je Genessos betreten hatte) müßten die Genessaner doch anders sein?
    Wie anders? Technischer? Zwar individualistisch, aber mit weniger Zufallsgestaltung?
    Und was war mit der Sexualanpassung?
    Cantos hatte behauptet, erst eine Geschlechtsreife erlangen zu können, nachdem er einen entsprechenden Partner gewählt hatte. Dabei würde sich sein Körper an das jeweils erforderliche Geschlecht anpassen.
    Er würde also genausogut die Rolle eines Mannes als die einer Frau übernehmen können. Er würde desgleichen mit jedem anderen Wesen des Universums, falls dieses fortpflanzungsfähig war, einen Nachkommen zeugen können.
    Diese seine Eigenschaft würde auch auf die anderen Genessaner zutreffen.
    Ich wagte es zu bezweifeln. Wenn ich die Gestalten der Logenmitglieder betrachtete und sie mit Cantos verglich, dann bestätigte sich das nur noch.
    Cantos war in der