Die Terranauten 093 - Das galaktische Archiv
so an, ihn nur in verschwommenen Umrissen erkennen. Sofort tastete er mit seinen psionischen Sinnen hinaus ins parapsychische Spektrum.
Diesmal begegnete er unzweifelhaft einer kraftvollen, fremdartigen Egosphäre. Ihre Fremdartigkeit besaß keinen solchen Umfang, daß sie eine telepathische Verständigung ausgeschlossen hätte, jedoch verhielt es sich mit dem Ego ähnlich wie mit der sonstigen Erscheinung dieser Intelligenz – ein Schleier übergeordneter Schwingungen verhinderte einen direkten Kontakt.
»Seht ihr dasselbe wie ich?« wandte sich der Riemenmann an seine Gefährten und deutete hinüber zum Pult, hinter dem der riesige Seestern sich nun umständlich niederließ und zurechtrückte. Erneut verblaßten seine Konturen, und längere Zeit verstrich, ohne daß er sich wieder zeigte.
Kalia und die beiden Neuen Lenker bestätigten Llewellyns Beobachtung. Thor 51 hatte nicht auf so etwas geachtet. Dem Rest von Llewellyns Begleitern war nichts aufgefallen.
»Vielleicht ist das der Pförtner«, äußerte Claude Farrell, noch immer reichlich übellaunig. »Sicherlich wird sich jetzt endlich irgend etwas tun.« Mit einem Knurrlaut schob er sich ein neues Zigarillo zwischen die Lippen.
Aber Minute um Minute verstrich, ohne daß das hartnäckige Warten sich auszahlte. Llewellyn führte noch mehrere telepathische Versuche einer Kontaktaufnahme mit dem »Pförtner« durch, jedoch ohne Ergebnis. Der Seestern war anwesend, aber er blieb nun vollauf der Sicht der Menschen entzogen; sein Ego ließ sich hinter dem Pult lokalisieren, anscheinend in tiefgründige Betrachtungen versunken, falls er nicht eingeschlafen war, doch man konnte nicht feststellen, ob er sich überhaupt in irgendeiner Beziehung mit den Ankömmlingen beschäftigte.
»Erfahrungsgemäß können Fremdwesen einen völlig anderen, vielfach sehr großzügigen Zeitbegriff haben«, meinte Scanner Cloud. »Es kann theoretisch hundertfünfzig Jahre dauern, bis er sich seine Gedanken über uns gemacht hat.«
»Soviel Zeit haben wir nicht.« Hilflos schaute Llewellyn rundum. Auf der anderen Seite des Saals ging der erleuchtete Stollen weiter und führte in entfernte Tiefen.
»Vielleicht sollten wir ihn ein bißchen schocken«, schlug Thor 51 ernsthaft vor. »So ein Nervenkitzel kann die Denkprozesse ganz schön anregen, har-har-har!« Er tätschelte den Griff seines Stunners.
Llewellyn öffnete den Mund, aber bevor er den Clon-Supertreiber von neuem zurechtzuweisen vermochte, erregten Stampfschritte die Aufmerksamkeit der Menschen. Wie aus dem Nichts – eine Art des Auftauchens, die auf eine Manifestation zu schlußfolgern erlaubte – kam mit aufrechtem Gang ein zottelhäuptiger Büffel in großkarierter Jacke, mausgrauer Hose und Langstiefeln angestapft. In seinen menschenähnlichen, allerdings affenartig stark behaarten Händen hielt er ein dickes, in längst abgeschabtes Leder gebundenes Buch sowie ein schweres, bronzenes Tintenfaß mit einem Federkiel. Er glich einer biedermeierlichen Inkarnation des Minotaurus.
Zielstrebig trat der Büffelmensch vor die verdutzte Kalia, klemmte sich das Buch, eine richtige alte Schwarte, unter den Arm und gab der ergrauten Treiberin einen ebenso eleganten wie markigen Handkuß. »Seien Sie untertänigst gegrüßt und meiner aufrichtigen Bewunderung restlos versichert, verehrte Frau Generalkonsul«, sagte er mit dunkler, wohltönender Stimme und schloß seiner Begrüßung ein dumpfes Verlegenheitshüsteln an, indem er das Buch aufklappte. »Koff-koff. Darf ich Sie zunächst darum ersuchen, sich freundlichst in unser Gästebuch einzutragen?« Er streckte ihr die altertümliche Feder hin. »Vielleicht gar mit einem Verslein?« Sein breites Büffelmaul schenkte ihr ein feuchtes, scheues Lächeln. »Koff-koff.«
Während Kalia fassungslos und mit gehörigem Gekleckse ein paar Zeilen in das Buch kritzelte, daß man den Federkiel laut kratzen hörte, entschied Llewellyn, diesmal Thor 51 zuvorzukommen. »Heißt das«, wollte er von dem Büffelmenschen wissen, »wir dürfen die Pyramide betreten?«
Der Büffelmensch richtete seine braunen Rinderaugen auf ihn. »Als Begleiter der hochverehrten Frau Generalkonsul wird diese Gunst Ihnen zuteil, meine Damen und Herren«, antwortete die Manifestation. »Ihnen ist im Archiv vollkommene Freizügigkeit gestattet, und die Bediensteten, vornehmlich die Wissenswahrer, werden Ihnen sehr gerne mit Rat und Tat behilflich sein.« Krachend schlug er das Gästebuch zu. »In Begleitung der
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