Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub
aufmerksam. Vielleicht würde man ihn befreien. Keiner hatte das Recht, einen Eskimo-Schamanen festzuhalten.
Er sah sich die starken, festen Planken an, die mit Kunststoff und Stahl hinterfüttert waren.
Er redete mit dem Material. Er redete ihm gut zu. Er sagte: Paß auf, Stahl, ich weiß, es ist deine Aufgabe stark zu sein, und du bist stark. Aber du hältst mich fest, und es ist nicht richtig, mich festzuhalten. Also, Stahl, kannst du auch mal schwach sein und mich loslassen!
Ebenso redete er mit dem harten Kunststoff und dem Holz.
Dann vergewisserte er sich, daß er die Materialien nicht zu sehr verletzte und zog die Ringe mit den Bolzen und den dagegengeschraubten Kontermuttern aus den Materialien.
Es gab einen kurzen Ruck, dann war er frei. Er überlegte kurz, ob er sich auch von den Ketten und Schlössern befreien sollte, entschied aber dann, daß dies zuviel Zeit kosten würde. Ein Entschluß, den er wenig später bereute.
Er ging auf die Tür zu, öffnete die Klinke. Sie war nicht abgeschlossen. Rasselnd taumelte er die Stufen hinauf. Etwas in ihm warnte ihn. Aber es war zu spät. Er wurde schwer zu einer Seite der Treppe geworfen, fiel fast die Stufen wieder hinunter und konnte sich mit letzter Kraft noch halten.
Der Trawler machte heftige, stampfende Bewegungen. Ein allzu vertrautes Brummen erfüllte das ganze Schiff.
Sie fuhren wieder!
Als der Eskimo-Schamane an Deck war, sah er die ganze Wahrheit. Der Hafen lag mehrere hundert Meter schon entfernt. Er sah die großen Kühltürme, von denen aus die Rohre den Laderaum leergesaugt hatten. Vielleicht waren sie nicht einmal so nahe an Land gewesen, daß er sich hätte verständlich machen können. Auch der Skipper war nicht an Land gewesen. Er hatte sich von der Gesellschaft – NEUFUNDLAND FOODLAND LAND AND SEA – elektronisch auszahlen lassen.
Jetzt starrte der Skipper auf den Eskimo-Schamanen, der schwankend und rasselnd auf den Stahlplanken des Decks stand.
Der hagere Mann lachte schallend und häßlich. Auf einen Wink packten zwei Matrosen den Schamanen und zerrten ihn an seinen Ketten weiter.
»Paßt auf, daß er nicht über Bord springt. Dieser Verrückte bringt alles fertig!« schrie der Skipper vergnügt. Er rieb sich die Hände. Was wollte er mehr? Auf zu neuen Fängen!
»Ihr habt Euer Wort gebrochen«, sagte der Eskimo-Schamane. »Jeder von Eurer Mannschaft weiß es. Ihr habt Euer Wort gebrochen, und Ihr würdet Euer Wort gegenüber jedem anderen auch brechen, nur zu Eurem eigenen Vorteil.«
»Das ist Anstiftung zur Meuterei«, sagte der Skipper grinsend. »Der Eskimo will, daß ihr mit Messern auf mich zugeht. Nun, das mag in seinem Land so Sitte sein, bei uns herrschen andere Gesetze. Kettet ihn an den Mast!«
Sie packten ihn und schleppten ihn zum kleinen Mast, der nur die Radaranlage und das grobe Stützsegel trug, mit dessen Hilfe der Motor-Trawler mehr Stabilität gewann. Als sich der Schamane, fest an den Mast gebunden, nicht mehr bewegen konnte, kam der Skipper auf ihn zu und sagte leise. »Du sitzt in der Falle. Ich weiß sehr gut, daß ich dich in der Falle habe.«
Der Schamane schüttelte den Kopf. »Ihr irrt, Skipper, Ihr könnt mich mit keinem geeigneten Mittel zwingen. Euch zu dienen. Ich bin nicht unempfindlich gegen Schmerzen, aber Folter nützt bei mir nichts. Ich würde mich in meiner Entscheidung nicht beeinflussen lassen.«
»Genug geschwatzt«, sagte der Skipper. »Du hältst mich für dumm, aber du appellierst an meine Klugheit. Natürlich weiß ich, daß man einen Schamanen nicht foltern kann. Ich bin sogar aufgeklärt genug, um zu wissen, daß sowas Unglück bringen kann. Aber ich will Euch gar nicht foltern. Ihr seid mir auch so zu Willen.«
»Wenn ich mich weigere?«
»Dann kommt Ihr nie hier frei. Zufällig habt Ihr mir selbst in Eurer grenzenlosen Naivität gestanden, daß Ihr es eilig habt, daß Ihr ein Ziel habt, und das offenbar ziemlich wichtig ist, dieses Ziel zu erreichen. Nun, ich stelle Euch in Aussicht, daß ich Euch an dieses Ziel bringe. Aber erst brauche ich ein Dutzend solche Fänge wie den letzten. Dann lasse ich Euch frei, weil ich den Rest meines Lebens keine Chance habe, soviel Kredits auszugeben.«
Der Eskimo-Schamane sah in den Geist des hageren Mannes und erschauerte, als er die billigen Vergnügungen sah, die dem Skipper vorschwebten. Der Mann war verrückt, aber in seiner Verrücktheit hatte er eine eigene Logik. Und die stimmte. Man würde ihn Tag und Nacht bewachen, der
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