Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub
Sicherheit.«
Der Schamane bezweifelte das, aber er antwortete nicht. Er konnte sich in etwa vorstellen, was der Grund zu dieser Maßnahme war. Der Skipper wollte ihn unter Bord haben, damit nicht bekannt wurde, daß die Fische mit Magie gefangen worden waren. Die Autisten, die auf dem südlichen Teil des Nordamerikanischen Kontinents lebten, würden solche Nahrung ablehnen. Auf ihre Weise waren sie noch abergläubiger als ihre Vorfahren, die an Hexen und Geister glaubten.
Noch mußte er abwarten, noch war seine Zeit nicht gekommen. Dabei wurde das Wispern und Flüstern in ihm immer stärker und drängender. Es kam irgendwoher, und er konnte genau die Richtung bestimmen. Aber er wußte nicht, wer es war, der ihn rief, oder was es war. Nur soviel wußte der Eskimo-Schamane: Es war nichts Böses, diese Macht, die ihn zu sich rief, und seine Anwesenheit, allein seine Anwesenheit war dringend notwendig. Sonst würde diese Macht sterben, und sonst würde Unheil in noch weitaus größerem Ausmaß über die Erde kommen als bisher schon. Letzteres war schwer vorstellbar, aber der Eskimo-Schamane hatte sich daran gewöhnt, an die Dinge zu glauben, die in ihn eindrangen und die von seinem Unterbewußtsein gesteuert wurden.
Der Drang in ihm war so stark, daß er schon daran dachte, sich gewaltsam zu befreien, eine Vorstellung, die ihn mit einigem Abscheu erfüllte. Es mußte auch so gehen. Außerdem waren seine Kräfte derzeitig so geschwächt, eine Nachwirkung der intensiven Konzentration auf die letzten reichen Fanggründe, daß seine magischen Fähigkeiten sich erst wieder regenerieren mußten.
Er wendete den Kopf, dabei rasselten die Ketten.
Die Bewegung des Schiffes hatte aufgehört. Rufe und Maschinenlärm von draußen verrieten ihm, daß sie sich in einem Hafen befanden.
Jetzt würde der Fisch, den sie gefangen hatten, alle Krustentiere, Muscheln und Austern, Tiefseepolypen und der winzige Krill, durch die Maschinen gejagt werden. Und er hatte nichtmal einen Fischkopf bekommen.
Schritte polterten die Treppe hinunter. Es erschien das grinsende Gesicht des Maates, eine armselige Visage, dauernd zu hilfloser Freundlichkeit verzogen.
Er brachte dem Schamanen die Einheitsnahrung: Synthetische Brühe mit Sojaschrot. Es schmeckte nicht schlecht und sättigte, und vor wenigen Tagen nur hätte der Schamane vielleicht seine rechte Hand für diesen Fraß gegeben, aber der Gedanke an die vielen schönen Fische ließ ihn nur mit Mühe das Zeug hinunterwürgen.
Der Maat setzte sich neben ihn auf den Boden der kleinen Kabine, die seine Zelle war. Er sah den Schamanen mitleidig an.
»Schmeckt dir nicht, das Zeug, was?« fragte er und wußte, daß ihm der Eskimo nicht antworten würde. Aber der Maat mußte seine Pflicht tun und bei dem Gefangenen bleiben.
»Mit uns macht er’s nicht anders, nur daß er uns nicht unter Deck festkettet«, schwatzte der Mann weiter. »Eigentlich sind wir alle Nomans, weil er sich bei seinen geringen Fängen keine Servis mehr leisten kann. Nur brauchen wir das rote Dreieck nicht zu tragen. Mit dem Essen hält er uns auch kurz. Wir haben nicht mal einen Fischschwanz gesehen. Das verkauft er alles an die Verarbeitungsgesellschaften. Nach diesem Fang ist er ein reicher Mann, aber wir sind genauso arm dran wie immer.«
Es war sicher die längste Rede, die der Maat gehalten hatte, und er schwieg erschöpft. Der Eskimo-Schamane war fertig. Er legte den Plastiklöffel behutsam in die Plastikschale zurück.
»Brav gegessen«, sagte der Maat. »Und jetzt brav aufs Töpfchen.« Er hatte eine Schüssel mitgebracht, auf die sich der Gefangene mit heruntergelassenen Hosen setzte. Als er fertig war, besah sich der Maat den Inhalt und verzog das Gesicht.
»Ich bin ja nicht gerade empfindlich«, sagte er, »aber das ist eigentlich kein Job für mich. Aber für dich tu ich’s gern.«
Er stand auf, nahm die Schüssel hoch und trug sie mit weit vom Körper gehaltenen Armen die Stiege nach oben.
In diesem Moment kamen wieder die drängenden, dräuenden lockenden Rufe aus dem Nichts, und der Eskimo-Schamane preßte mit rasselnden Ketten die Arme gegen die Ohren. Es nützte natürlich nichts. Der Ruf, der ihn irgendwohin zog, kam aus seinem Innersten und wurde immer stärker.
Der Schamane richtete sich auf. Er sah auf die Ringe, die im Holz festgemacht waren und die er mit all seiner Körperkraft nicht würde lösen können.
Er mußte nach oben. Vielleicht, wenn er an Bord zu sehen war, wurde jemand auf ihn
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