Die Terranauten TB 05 - Kosmisches Labyrinth
über betrunkene Nachtträumer hinweg, und das Brüllen der Krieger blieb hinter ihnen zurück. Geröll knirschte unter ihren Schritten, und die Häuser von Heißer Sand bildeten bald nur noch ein stummes Labyrinth zu ihren Füßen.
Yronne MilVira hielt kurz inne und schöpfte Atem. Hörner ertönten unten in dem Irrgarten aus Straßen und Gassen, und hier und dort zitterten die Flammen von Fackeln in dem sich lichtenden Zwielicht.
»Gilco?«
Er kletterte weiter. Er war wie eine geschmeidige Katze, sprang behend und flink über Hindernisse hinweg, die ihm den Weg versperrten.
Oben an den Wänden jammerten die Asketen in herbeigesehnter Pein.
»Gilcoooo!«
Yronne setzte sich wieder in Bewegung. Schritt um Schritt kämpfte sie sich in die Höhe, über das lockere Geröll hinweg, an bizarren Gesteinsformationen vorbei. Kiesel rollten ihr entgegen.
Ihr Mentalpartner kauerte vor einem nachtschwarzen Rechteck am Boden, das unterhalb eines granitenen Kamins aus den Felsen wuchs. Eine sonderbare Ausstrahlung ging davon aus; die marmornen Säulen zu beiden Seiten des Dunkels wiesen Schriftzeichen und Symbole auf, die sie nicht zu entschlüsseln vermochte. Eins aber fiel ihr sofort auf: Die Masse der Zeichen war so angeordnet, daß sie eine Art Äste- und Zweigegeflecht bildete.
»Warte, Gilco«, keuchte Yronne. Ihre Lungen schmerzten. »Ich komme …«
Tschiad knurrte etwas Unverständliches, kam in die Höhe und sprang mit einem Satz in die Schwärze hinein. Er verschwand einfach, gefolgt von einer kurzen farbigen Entladung. Yronne kletterte weiter, bis sie sich unmittelbar vor dem Rechteck befand. Die Tränen auf ihren Wangen waren längst getrocknet, und an der Grundfeste ihres Ichs schwamm nur trübe Mattigkeit.
Der Sog war unverkennbar. Es war ein Hauch von Kühle, der aus dem Schwarz wehte und ihr zuflüsterte: Komm, Yronne. Komm doch; ich warte auf dich …
Sie gab sich einen Ruck und folgte Gil-Coron, ein Schritt, ins Nichts hinein.
Ihr Bewußtsein badete in einem Meer aus Schmerz. Irgendwann fühlte sie wieder festen Boden zu ihren Füßen, aber es gelang ihr nicht, die Augen zu öffnen und sich zu orientieren. Die Zone der Mattigkeit breitete sich mit einem Schlag aus, und der trübe Ozean ertränkte ihre Gedanken.
Die Halle lag tief eingebettet im Fundament der Vulkanfeste, nahe den Bereichen, wo vor Äonen Magma gebrodelt hatte und durch den Kegelschlund des Vulkans ins Schattenland hinausgeschleudert worden war. Magische Worte hatten sie hineingemeißelt in den Basalt. Djunath schritt an den Nischen entlang. Ewige Flammen glühten darin und warfen einen düsteren Schein auf die Mahre, die hier warteten auf den Weg, an dem ihnen der Schwarze Fürst Leben einhauchte. Es waren Rachebringer und Vollstrecker, Boten des Zwischenreichs, die in seinem Namen und als seine Werkzeuge über Gnome und Kobolde und andere Höllengeschöpfe geboten. Sie warteten hier auf den Tag, an dem Djunath sie in den Kampf gegen die letzten Lauteren Gabenspender führte.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, murmelte der Schwarze Fürst und beachtete dabei die Diener kaum, die sich vor ihm zu Boden warfen. »Bald besitze ich den Kristall. Und damit werde ich euch finden, im Land der Sieben Grotten.«
Im Zentrum der Halle schimmerten magische Symbole auf dem behauenen Basalt. Sie bildeten einen verschnörkelten Kreis, und im Innern dieses Kreises wallten Nebel. Die Meherin, die dicht an den Symbolen auf dem Boden kauerten, erhoben sich und neigten demütig die Köpfe, als sich Djunath ihnen näherte.
»Djunath, Hoher Herr«, murmelten sie. »Es ist bald soweit. Die Beschwörung des Erschließers wird nicht mehr lange dauern. Das Zwischenreich ist weit, und wir mußten lange suchen. Aber nun haben wir gefunden.«
»Das ist gut«, antwortete der Schwarze Fürst. Er betrachtete die Nebelschwaden im Innern des Magischen Kreises. Dies war eine andere Art von Transitschleife. Der Zugang, den die Symbole der Alten Worte geschaffen hatten, rührte in eine Welt, die noch weiter war als Ohne Grenzen. Das Weise Mosaik hatte ihm den Weg gewiesen. Der Erschließer war noch mächtiger als die Mahre. Er würde im Auftrage Djunaths weitere Transitschleifen suchen und sie an das Netz anschließen. Er würde weitere Länder von Ohne Grenzen auf die Ergreifung der Macht durch den Schwarzen Fürsten vorbereiten.
Die Meherin starrten ihn an, mit ihren malachitenen Augen. Ihre Hirne waren leer bis auf den Willen, Djunath zu dienen. So war es.
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