Die Terranauten TB 10 - Der Sternenfänger
ihm freiwillig geben, denn sonst hatte der Kristall für den Falschen keinen Wert. Er dachte an Chora, an die schöne und zärtliche Chora, an Llewellyn und Narda und Nayala. Das falsche Spektrum konnte andere Gestalten annehmen, und seine Täuschungsversuche waren recht subtiler und heimtückischer Natur gewesen. Sollte Myriam …?
»Aha«, machte Myriam und lehnte sich triumphierend und wachsam geworden zurück. »Ich darf ihn also nicht berühren, wie?«
David senkte den Kopf und berichtete ihr auch von dem Labyrinthenen Heim des Falschen. Die Falten in Myriams Stirn fraßen sich tiefer in die Haut. »Das hört sich alles ziemlich phantastisch an.« Sie lachte mädchenhaft. »Hältst du mich vielleicht für den verkleideten Falschen?«
David zögerte, dann schüttelte er den Kopf und lachte ebenfalls. Es tat gut, so gut. Ein kleiner Bordservo war unterdessen damit beschäftigt, seine Wunde zu säubern und zu behandeln. David nahm die Kette mit dem Konnexkristall ab und reichte sie Myriam. Die junge Frau hob die Augenbrauen, nahm das Juwel entgegen und tastete darüber hinweg. Ihre Augen schlossen sich halb, und ihre Wangen wurden so weiß wie Schnee. Rasch drückte sie David den Kristall wieder in die Hand. »Bei den Geistern von Ultima Thule«, ächzte sie. »Nie zuvor habe ich so etwas gespürt. Ich bin eine einfache Treiberin und Terranautin. Mein Potential ist nicht sonderlich stark ausgeprägt. Es reicht aus, um mich auf eine Mistel zu konzentrieren und das Mitglied einer Loge sein zu können. Aber das dort …« Sie starrte zuerst auf den Kristall und dann in die Augen Davids. Sie nickte langsam. »Ja. Ja, ich … ich glaube dir.«
David legte sich die Kette wieder um den Hals. Sie waren der marmorierten Kugel des Planeten inzwischen näher gekommen, aber bis sie in die äußersten Schichten der dichten und aufgewühlten Atmosphäre eintauchten, mochten noch einige Stunden vergehen. Weiter in Steuerbord gleißte und funkelte die Wand aus Sonnen.
»Das ist die Sonnensphäre des Sternenfängers«, sagte Myriam, und die Verachtung und der Haß in ihrer Stimme waren unüberhörbar. »Wir bekämpfen ihn schon seit Jahren, aber bisher …« Sie musterte David ein weiteres Mal, und diesmal schimmerte in ihren Augen ein anderer Glanz. David sah sie an, und es fiel ihm schwer zu glauben, daß seine leibliche Mutter neben ihm saß. Er hatte eine bestimmte Vermutung, aber noch nahm sie keine Konturen an. Noch war sie verschwommen und diffus und undeutlich.
»Vielleicht«, sagte Myriam leise, »vielleicht könntest du uns – Emigranten helfen.« Sie nickte sich selbst zu. »Weißt du, es gibt in der Sonnensphäre auch einige Urbäume. Wäre das nicht der Fall, könnten wir gleich aufgeben. Ohne einen Nachschub an Misteln hätte uns der Sternenfänger schon längst festgenagelt …«
Urbäume, dachte David. Sie können mir sagen, wo ich die beiden noch fehlenden Spektren suchen muß. Es ist eine Spur. Immerhin.
»Sternenfänger, Sonnensphäre, Emigranten«, wiederholte David und nahm ebenfalls einen Konzentratriegel. »Ich verstehe kein Wort.«
»Wenn deine Geschichte stimmt, David – und daran habe ich jetzt eigentlich keinen Zweifel mehr –, dann kann ich das durchaus nachempfinden.« Myriam verstellte die Rückenlehne ihres Sessels und machte es sich bequem. Um sie herum leuchteten die Sterne, und das tödliche Vakuum des Weltraums war nur einige Zentimeter entfernt. Die Rettungskapsel machte auf David einen eher fragilen und sehr instabilen Eindruck. »Das, was du mir eben vom Konzil der Konzerne erzählt hast, David …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll: Es ist einfach unfaßlich.«
»Ich bin geduldig.«
Die junge Frau mit dem langen braunen Haar – seine Mutter! – lachte leise. »Na gut. Weißt du, in meiner Heimat verlief die Geschichte völlig anders. Auch bei uns gibt es Treiber – oder sollte ich sagen: gab? Bis vor wenigen Jahren waren die Terranauten eine kleine Gruppe ohne großen Einfluß. Dann aber bahnte sich eine entscheidende Veränderung im Sozialgefüge des Sternenreiches an, eine Veränderung, die auch die Treiber selbst bedrohte: Growan terGorden.« – sie sah ihn kurz an und wurde sich offenbar erst jetzt der Namensübereinstimmung bewußt – »… heiratete die Präsidentin des Allwelten Stahl-Konsortiums Anlyka terCrupp. Das war eine geschickter Schachzug, der den Kaiser-Konzern in eine schwierige Lage brachte. Meine Basisgruppe
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