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Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Titel: Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weiler
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inmitten der seinen. Sie vermittelte ihm Bilder von Harmonie, von Planeten mit weiten Wäldern, in deren Kronen die Stimmen der Uralten flüsterten.
    Er sah Bilder seiner Eltern. Zum erstenmal seit vielen Jahren erinnerte er sich wieder an sie: zwei Servis, die ihn manchmal monatelang allein ließen und die sich stritten, wenn er bei ihnen war. Er durchstreifte die Räumlichkeiten eines staatlichen Verwahrungsheims und spürte dabei, daß er anders war als die anderen Kinder und Jugendlichen. Er erzählte seinen Eltern von den Dingen, die in ihm vor sich gingen. Sie hörten zu. Aber sie verstanden ihn nicht. Sie hatten ihn nie verstanden. Anders zu sein, das bedeutete, nicht normal zu sein.
    Irgendwann trennten sich seine Eltern. Der junge Claude hatte Glück. Er traf auf einen Summacum, der seine Begabung erkannte und dafür sorgte, daß er als Treiber ausgebildet wurde.
    Ein ganzes Leben, konzentriert auf wenige Bilder, destilliert zu einem fragmentarischen Extrakt. Er fragte sich nicht, warum ihm Lyra das alles erzählt hatte. Er erkundigte sich auch nicht danach, aus welchem Grund sie seine Gedanken küßte. Es spielte keine Rolle. Alles hatte einen Sinn, selbst die Melancholie, selbst das Dahintreiben auf einem Strom der Sinnlichkeit.
    Später, viel später, als ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigt worden waren, blieben sie still nebeneinander liegen, und Claude genoß einfach nur das Gefühl, Lyra neben sich zu wissen. Irgendwann mußte er eingeschlafen sein. Als er nach einer Weile wieder die Augen öffnete, blickte er in das ruhige und gelassene Gesicht Luther Straightwires.
    »Ich habe die Informationen, die ich brauche«, sagte der Lenker leise. »Es steht noch schlimmer, als ich befürchtet habe.«
    Claude Farrell erhob sich und kleidete sich rasch an. Von Lyra war weit und breit nichts zu sehen. Nur die körperlose Stimme sang noch immer ihr schwermütiges Lied.
    »Wo ist sie?«
    »Die Instruktorin?« Straightwire lächelte. »Fort. Kommen Sie, Farrell. Ich kann Sie nicht hier zurücklassen.« Er warf dem Treiber einen undefinierbaren Blick zu. »Wenigstens noch nicht. Lyra hat einen nachhaltigen Eindruck auf Sie gemacht?«
    Claude Farrell nickte gedankenversunken.
    »Sie ist eine gute Instruktorin. Die beste in dieser Separation. Sie hat hervorragende Lenker und Liktoren ausgebildet. Sie bietet sich jedem Schüler so dar, wie er sie sehen möchte.«
    Als sie durch den Korridor schritten und sich der Kuppel mit der Transferplattform näherten, fragte der Treiber: »Dann ist sie … keine Frau?«
    »Kein Mensch – wenn Sie das meinen.« Straightwire lächelte noch immer. »Aber spielt das eine Rolle für sie? Lyra ist das, was Sie in ihr sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Eine konkretere Realität gibt es nicht.«
    Sie schwiegen, bis sie die Plattform erreichten.
    »Sie hat sich lange mit Ihnen beschäftigt, nicht wahr?«
    Farrell sah auf. »Ja.«
    Das Regenbogenfeld des Raum-Zeit-Stroboskops baute sich um sie herum auf.
    »Nun, wie gesagt: Sie hat sehr gute Lenker und Liktoren ausgebildet.« Die letzten Worte Luther Straightwires drifteten fort in den farbigen Wirbeln der Weltraumstraße.

5
Beim Fallensteller
    In den letzten Tagen war es rasch kälter geworden. Die Gletscher an den Hängen der Berge im Norden und Westen grollten und knirschten, und manchmal lösten sich tonnenschwere Kalbungssegmente und stürzten mit einem ohrenbetäubenden Donnern in die Tiefe. Der Paß, den der Fallensteller oft benutzte, war tief verschneit. Grauweiße Wolken jagten über den Himmel, fortgewirbelt von einem beißenden und klirrenden kalten Wind. Kristallene Flocken tanzten in der Luft den Reigen des anbrechenden Winters. Myriam kniff die Augen zusammen und blickte an den vereisten Graten empor. Die Gipfel des Gebirges im Norden verschwanden irgendwo in den faserigen Wolkenmassen. Die junge Frau wußte, daß sie noch viel weiter emporreichten, bis über die dünnsten Ausläufer der Atmosphäre hinaus. Die Felsmassen kamen einer monumentalen Barriere gleich, und es gab nur wenige Pässe, die ein Vordringen nach Norden erlaubten.
    Von dem Fallensteller war weit und breit nichts zu sehen.
    Myriam begann zu zittern, drehte sich um und machte sich auf den Rückweg zur Hütte. Die Zweige und Äste der Kiefern und Fichten ächzten unter einer schweren Schneelast. Dann und wann, wenn der Wind ein wenig heftiger blies und selbst die unteren Bereiche des tiefen Tals nicht verschonte, knirschte es in den Baumkronen

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