Die Terranauten TB 18 - Das Terranauten-Projekt
Ächzen Benjamins.
Die junge Terranautin sprang wieder auf die Beine und lief weiter. Sie sah, wie Moon Benjamin in die Höhe half – das Gesicht der PSI-Amazone ein schmales und helles Oval im Halbdunkel, die Pupillen zwei jadegrüne Kristalle, die Miene gleichzeitig ernst und entschlossen. Und Narda begriff die Gefahr, in der Moon schwebte: Sie hatte nicht die Absicht, zu kämpfen und sich zur Wehr zu setzen, wenn sie gestellt werden sollte. Sie würde eher den Tod akzeptieren, als Gebrauch von den Verteidigungstechniken zu machen, in denen sie auf Senaida unterwiesen worden war.
Vier Meter weiter endete die Gasse an einem breiten Kanal, in dem braunes und schmutziges Wasser dahingurgelte. Hinter einigen nahen und hohen Fenstern brannte Licht, und von irgendwoher flüsterte dumpf klingende Musik an die Ohren Nardas, ein stampfender Rhythmus, der sich innerhalb von einigen wenigen Sekunden wiederholte. Dunstschwaden glitten wie träge Wolken über das Wasser, und Narda hielt nach einem Steg Ausschau, einer kleinen Brücke vielleicht, die ihnen die Möglichkeit gab, das andere Ufer zu erreichen.
Nichts zu sehen.
Nur ein schmaler Sims, kaum breit genug, als daß man darauf stehen konnte, ohne sich am Mauerwerk festklammern zu müssen.
»Narda …«, brachte Benjamin krächzend hervor. Das Gesicht des Treibers war kalkweiß, und Narda blickte in die Richtung, in die sein halb erhobener Arm deutete.
In den aus dem völlig zerstörten Transporter emporwallenden Qualmwolken zeichneten sich die Konturen einer hünenhaften Gestalt ab. Offenbar trug der Fremde einen Tarnanzug, eine Chamäleon-Kombination, deren Material sich farblich an die jeweilige Umgebung anpaßte: Narda konnte ihn nicht deutlich sehen, nur wenn er sich bewegte; dann schien sich kurz der Hintergrund zu verzerren. Das Glühen heißer Metallfragmente spiegelte sich matt auf dem Stahlplastik einer wuchtigen Waffe wider, von deren Erfassungsoptik ein zinnoberroter Glanz ausging. Im Fokusfeld der elektromagnetischen Schleuder steckte eine weitere Drohne.
Narda wußte, daß ihr der Tod sicher war, wenn sie jetzt noch weiter zögerte. Sie öffnete ihre psionischen Sinne und formte ihre mentale Kraft zu einer Lanze, die sie dem Fremden entgegenschleuderte.
Einen Sekundenbruchteil später detonierte ein Hitzeschwall in ihrem Innern, und die Flammen eines psychischen Feuers züngelten über die seelischen Schutzschilde. Narda wankte und versuchte, die Lücken in den geistigen Barrieren zu schließen, die sie selbst darin hatte entstehen lassen. Die Wucht ihres Angriffes war nicht an dem Blockadefeld eines Sarym-Schirms abgeprallt, das spürte sie ganz deutlich. Vielmehr verfügte der Fremde über ein nicht unbeträchtliches mentales Potential. Er war ein Retro-Psioniker, ein Esper-Spiegel, der all die geistigen Energien reflektierte, die man ihm entgegenschleuderte.
Es verstrichen nur einige wenige Sekunden, und während Narda fühlte, wie Benjamin und Moon sie stützten, öffnete sich dicht vor ihnen eine Tür in der porösen Mauer, und der stampfende Rhythmus der Musik wurde lauter. Zugleich gewann sie ein deutlicheres Vorstellungsbild von dem Fremden. Sie erhaschte einen flüchtigen Blick auf das Innere des Wesens, das sie verfolgte – ein klarer Auftrag, der einherging mit einer unerbittlichen Entschlossenheit. Die Terranautin und die beiden Treiber mußten getötet werden!
Was Narda jedoch am meisten erschreckte, war die Tatsache, daß die Identität des Geschöpfes sich nicht mit einem persönlichen Namen umschreiben ließ. Der Fremde verfügte über keinen solchen Ichfokus, dem sich ein Begriff von dem herauskristallisierte, was die Natur eines jeden denkenden Wesens ausmachte: Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen. Tatsächlich gab es im Geist des Fremden nur Platz für destruktive Entschlossenheit. Und gleichzeitig nahm Narda eine geradezu diabolische Intelligenz wahr, eine kluge und ständig alle Unsicherheitsfaktoren ausschaltende Zielstrebigkeit.
»Er ist kein Mensch«, vernahm sie die Stimme Moons aus unmittelbarer Nähe. »Ein Teufel, ein Monstrum, geschaffen, um zu zerstören.«
Narda dachte an den Golem, gegen den Corboran in der Sporthalle gekämpft hatte, und sie nickte, während sie versuchte, die Nachwirkungen des psionischen Schocks zu überwinden. Der Regent hatte den Fremden auf sie angesetzt, um sie auf eine ihm elegant erscheinende Weise aus dem Weg zu räumen. Bestimmt sollte es wie eine Art Unfall aussehen: drei
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