Die Terroristen
Sie begann damit, den Pullover auf den Fußboden der Rüche zu werfen.
»Der kratzt«, erklärte sie.
Als sie am Bett ankam, hatte sie nur noch den angeberischen BH an.
»Willst du mir den ausziehen?«, forderte sie ihn mit parodistischer Koketterie auf.
»Das ist eine seltene Gelegenheit, denn sonst benutze ich nie einen BH. Nur heute mal.«
Sie zogen die Springrollos nicht herunter, denn normalerweise gab es keine Möglichkeiten, in die Fenster zu sehen.
Von seinem Platz auf dem Dach aus konnte Reinhard Heydt das Bett nicht sehen, aber er beobachtete, wie das Licht im Schlafzimmer gedämpft wurde, und war durchaus fähig, sich auszurechnen, was da drinnen vor sich ging.
Nach einer Weile wurde das Licht wieder angemacht, die Frau kam ans Fenster. Sie war nackt.
Durch das Zielfernrohr blickte er leidenschaftslos auf ihre linke Brust. Das Fadenkreuz lag auf ihrer großen, hellbraunen Brustwarze. Die Vergrößerung durch das Nachtglas war so stark, dass die Brustwarze das ganze Blickfeld ausfüllte. Er sah sogar, dass ihr ein etwa 20 Millimeter langes, blondes Haar direkt über der Brustwarze herauswuchs.
Er dachte, das sollte sie wegnehmen. Dann senkte er die Mündung des Gewehrs ein klein wenig. Das Fadenkreuz lag auf einem Punkt direkt unter ihrer linken Brust. Dem Herzen.
Reinhard Heydt zog den Abzug einen halben Millimeter zu sich heran und fühlte, wie er genau am Druckpunkt ruhte.
Wenn er den Abzug noch einen weiteren Viertelmillimeter durchzog, würde der Schuss losgehen, und das Geschoss traf sie genau ins Herz.
Mit der superschnellen Munition, die er benutzte, würde sie nach hinten quer durch das Zimmer geschleudert und tot sein, noch bevor ihr Rücken gegen die gegenüberliegende Wand krachte. Unabhängig davon, in welchem Teil der Herzgegend der Einschuss lag.
Rhea Nielsen stand immer noch am Fenster.
»Was für ein Sternenhimmel! Warum musst du nach Malmö? Ist es immer noch dieser hoffnungslose Rerl mit den Roteletten? Heydt?«
»Genau der.«
»Weißt du, was ich glaube, was er in diesem Augenblick tut? Sitzt auf Bali und angelt Goldfische mit einem Hula-Hula-Mädchen auf den Rnien. Romm, wir machen den Hummer zurecht.«
50 Meter davon entfernt überlegte Reinhard Heydt, dass das Ganze uninteressant und sinnlos war. Er ließ sich durch die Dachluke zurückgleiten, nahm das Gewehr auseinander und stopfte es in den Diplomatenkoffer. Dann zog er sich seinen hellen Mantel an und ging.
Während er ohne Hast durch Bollhusgränd schlenderte, entschloss er sich, wie und wann er das Land verlassen wollte.
30
S eit Martin Beck und die Generation, zu der er gehörte, Rinder gewesen waren, hatte sich Weihnachten von einem schönen traditionellen Familienfest zu einer Sache entwickelt, die man nicht anders als einen ökonomischen Geniestreich oder als kommerziellen Wahnsinn bezeichnen konnte. Länger als einen Monat vor Heiligabend, der ja der große Tag war, hämmerte eine beinahe desperate Werbung für fast alle Konsumgüter auf die Nerven der Menschen ein, und die einzige Absicht war offenbar, den Leuten das Geld bis auf die letzte Münze aus der Tasche zu ziehen. Weihnachten war in vieler Beziehung das Fest der Kinder, aber nur allzu viele der Kleinen weinten vor Stress und Ermüdung bereits mehrere Wochen, bevor der gemietete (und nicht selten betrunkene) Weihnachtsmann endlich an die Tür klopfte.
Für viele Branchen im Geschäftsleben bedeutete Weihnachten alles. Der Buchhandel gehörte beispielsweise dazu. Der Autor, dem es nicht glückte, dass seine Bücher im Weihnachtsgeschäft verkauft wurden, konnte im Großen und Ganzen einpacken, denn am Nachmittag des Heiligabend war es so, als ob ein eiserner Vorhang vor den Verkaufstischen der Buchhandlungen heruntergelassen wurde. Gerade das war eigenartigesweise eine kleine schwedische Spezialität, denn schon im Nachbarland Dänemark wurden Bücher nach Qualität und zu jeder beliebigen Jahreszeit verkauft.
Außerdem schien es so, als ob die gesamte Bevölkerung von einem nervlich bedingten Bedürfnis erfasst wurde, sich an einen anderen Ort zu begeben. Die Autoschlangen waren endlos, alle Charterflüge nach Gambia, Malta, Marokko, Tunis, Malaga, Israel, Kanada, den Kanarischen Inseln, an die Algarve, auf die Färöer Inseln, nach Capri, Rhodos und zu verschiedenen anderen, um diese Jahreszeit wenig lockenden Zielen waren ausgebucht, die grob vernachlässigte staatliche Eisenbahn musste Unmengen von Extrazügen einsetzen, und
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