Die Terroristen
sie sofort wieder, und wenn er einen Sinn dafür gehabt hätte, würde er sich gewundert haben, sie hier zu sehen. Stattdessen betrachtete er ihr Haar durch das Zielfernrohr und überlegte, dass sie die Haare doch wohl nicht gefärbt hatte, wie er es das erste Mal geglaubt hatte.
Ein Mann trat in das Blickfeld. Es war ein ziemlich großer Kerl mit breiter Stirn, gerader Nase, dünnem, breitem Mund und kräftiger Kinnpartie.
Heydt erkannte ihn sofort, er hatte ihn im Fernsehen gesehen. Dies war sein Feind Martin Beck, der Mann, der offenbar zuerst das Attentat in ein klägliches Fiasko verwandelt, dann Raiten, den physisch gefährlichsten aller ULAG-Agenten, außer Gefecht gesetzt hatte, und der nun aus dem Weg geräumt werden musste, um Heydts eigenen Rückzug aus dem Lande zu erleichtern.
Der Mann nahm die Frau in seine Arme, drehte sich herum und zog sie zu sich heran.
Er sah nicht besonders gefährlich aus, stellte Heydt fest und hob den Lauf des Gewehrs ein wenig, sodass das Fadenkreuz des Nachtzielfernrohres genau zwischen den Augen des Polizeibeamten lag.
Es wäre nicht schwierig gewesen, ihn in diesem Augenblick zu töten, aber dann musste er auch die Frau umbringen, und das musste sehr schnell gehen. Alles kam darauf an, wie schnell sie reagieren würde. Er hatte nicht viel von ihr gesehen, aber irgendetwas sagte ihm, dass sie reaktionsschnell war. Und wenn sie schnell genug war, würde es ihr gelingen, in Deckung zu gehen und Alarm zu schlagen, und von diesem Moment an würde seine Lage da oben auf dem Dach nicht sehr beneidenswert sein. Wenn genügend Polizisten in der Nähe waren, würde er durch die Dunkelheit und seine isolierte Position nicht mehr geschützt sein. Im Gegenteil, er würde sich in einer Todesfalle befinden, ohne Fluchtmöglichkeiten oder Rückzugswege.
Reinhard Heydt analysierte die Situation klar und schnell. Dann entschied er, dass er immer noch genügend Zeit hatte, und dass er abwarten und beobachten konnte, was weiter geschah.
Rhea Nielsen stellte sich auf die Zehenspitzen und biss Martin Beck spielerisch in die Wange.
»Ich habe zur Zeit feste Arbeitszeiten«, sagte sie. »Und Vorgesetzte. Es sieht vielleicht ein bisschen sonderbar aus, wenn ich eine dreiviertel Stunde vor Büroschluss von einem Polizisten abgeholt werde.«
»Die besonderen Umstände rechtfertigen das. Und außerdem hatte ich keine Lust, allein nach Hause zu gehen.«
»Was für Umstände?«
»Ich muss heute Abend verreisen.«
»Wohin?«
»Nach Malmö. Eigentlich hätte ich schon unterwegs sein müssen.«
»Und warum bist du das nicht?«
»Ich dachte, ich müsste erst noch eine Sache erledigen.«
»Was erledigen? Wo denn? Im Bett?«
»Zum Beispiel.«
Sie zogen sich vom Fenster zurück. Sie fingerte an einem seiner Schiffsmodelle, blinzelte ihn ahnungsvoll an und fragte: »Wie lange bleibst du weg?«
»Weiß ich nicht genau. Es kann vier bis fünf Tage dauern.«
»Über Heiligabend also? Verdammt, ich habe es noch nicht mal geschafft, ein Weihnachtsgeschenk für dich zu kaufen.«
»Ich für dich auch nicht. Aber wahrscheinlich bin ich Heiligabend wieder zu Hause.«
»Wahrscheinlich? Sehe ich übrigens nicht gut aus heute?
Rock, Bluse, Netzstrumpfhosen, richtige Schuhe, angeberischer BH und ebensolch ein Schlüpfer.« Martin Beck lachte.
»Was grinst du? Über meine Weiblichkeit?«
»Dabei kommt es wohl kaum auf die Rleidung an.«
»Du bist lieb«, sagte sie plötzlich. »Findest du?«
»Ja, tatsächlich. Wenn ich jetzt deine Gedanken richtig lese, dann müssen wir sofort zum Bett stürzen und uns ausziehen.«
»Du liest meine Gedanken immer richtig.«
Sie schüttelte die Schuhe ab, die jeder in eine andere Richtung flogen. Dann bemerkte sie nüchtern:
»In solchen Fällen ist es am sichersten, wenn man vorher den Rühlschrank und den Vorratsschrank kontrolliert. Damit es nicht hinterher einen Hungeraufstand gibt.«
Sie ging in die Rüche und blieb dort eine Weile. Martin Beck ging ans Fenster und blickte hinaus. Es war wirklich sternklar, ein meteorologisches Wunderwerk um diese Jahreszeit.
»Wo kommt der Hummer her?«, rief sie.
»Aus Hötorgshallen.«
»Mit dem kann man viele schöne Sachen machen. Wie lange haben wir Zeit?«
»Das hängt davon ab, wie lange du in der Rüche herummurkst. Im Übrigen haben wir Zeit genug. Mehrere Stunden.«
»Die Sache ist klar. Ich komme. Hast du Wein?«
»Ja.«
»Gut.«
Rhea Nielsen zog sich auf dem Weg von der Rüche ins Schlafzimmer aus.
Weitere Kostenlose Bücher