Die Terroristen
dass sie freigesprochen wurde. Die Frage ist nur, was ihr psychologisch gesehen passieren kann. Kann sie sich ohne Hilfe wieder aufrappeln?«
»Ich glaube, doch. Sie ist nicht faul und passiv, wie so viele in ihrem Alter. Und was die Verhandlung betrifft…«
»Ja eben, dieser Prozess, was hat der bei ihr bewirkt? Wahrscheinlich meint sie jetzt, dass man von der Polizei mitgenommen wird, in Untersuchungshaft kommt und sogar große Chancen hat, ins Gefängnis zu wandern, obwohl man nichts getan hat.«
Rhea zog die Stirn kraus.
»Ich mache mir Sorgen um dieses Mädchen. Es ist schwer, sich in einer Gesellschaft zurechtzufinden, die man überhaupt nicht versteht. Wo man nicht ins System paßt.«
»Allem Anschein nach war dieser Amerikaner ein guter Junge, der sich wirklich um sie kümmern wollte.«
»Vielleicht kann er es nicht mal.« Rhea schüttelte den Kopf. Martin Beck sah sie eine Weile schweigend an. Dann sagte er:
»Ich würde dir am liebsten widersprechen, aber tatsächlich hatte ich auch ein Gefühl der Unruhe, als ich dieses Mädchen sah. Tatsache ist leider, dass wir nichts Besonderes tun können, um ihr zu helfen. Wir könnten ihr natürlich privat helfen, mit Geld, aber einerseits glaube ich nicht, dass sie eine solche Art von Hilfe annehmen würde, andererseits habe ich keins übrig, das ich weggeben könnte.«
Sie kratzte sich einen Moment lang im Nacken.
»Du hast Recht«, stimmte sie zu. »Ich glaube, sie ist der Typ, der Hilfe ablehnt, die etwas von Mildtätigkeit an sich hat. Sie wird niemals freiwillig zum Sozialbüro gehen. Vielleicht versucht sie, Arbeit zu finden. Wird aber keine bekommen.«
Martin Beck schüttelte sich und machte seine erste möglicherweise politisch auszulegende Bemerkung seit vielen Jahren:
»Wir brauchen offenbar Hilfe. Und wer soll uns die zukommen lassen? Der da an der Wand?«
»Ich kann nicht mehr länger denken. Aber eins scheint doch klar zu sein. Rebecka Lind wird niemals eine bekannte Persönlichkeit in unserem Staat werden.«
Damit irrte sie; aber das wusste sie nicht, und bald danach schlief sie ein.
Martin Beck ging in die Küche, wusch ab und räumte auf, und nach einer Weile hörte er, dass Rhea wieder aufgewacht war und offenbar den Fernseher angestellt hatte. Da sie selber keinen eigenen Apparat besaß und wahrscheinlich auch wegen der Kinder keinen haben wollte, geschah es, dass sie die eine oder andere Sendung bei ihm sah. Er hörte sie etwas rufen, stellte weg, was er gerade in der Hand hatte, und ging ins Zimmer.
»Das ist eine extra Nachrichtensendung«, erklärte sie.
Er hatte den eigentlichen Anfang verpasst, aber niemand konnte daran zweifeln, worum es ging.
Die Stimme des Nachrichtensprechers war ernst und feierlich.
»… das Attentat erfolgte unmittelbar vor der Ankunft im Palast. Eine sehr starke Sprengladung detonierte unter der Fahrbahn, gerade als die Eskorte darüber hinwegfuhr. Der Präsident ebenso wie die anderen Insassen des kugelsicheren Wagens waren sofort tot. Das Auto selbst wurde auf ein in der Nähe gelegenes Haus geschleudert. Eine größere Anzahl anderer Personen wurde ebenfalls getötet, darunter einige Sicherheitsbeamte, aber auch Zuschauer, die sich in der Nähe aufhielten. Der Polizeichef des Landes teilte mit, dass 16 Personen unmittelbar starben, die Zahl aber noch erheblich ansteigen kann. Er betonte zur gleichen Zeit, dass die Sicherheitsmaßnahmen bei diesem Staatsbesuch die umfassendsten waren, die jemals in der Geschichte des Landes praktiziert worden seien. Unmittelbar nach dem Attentat teilte die an keine Grenzen gebundene Terroristengruppe ULAG in einer Meldung über den französischen Rundfunk mit, dass sie die Verantwortung für das Attentat übernimmt.«
Der Sprecher nahm den Telefonhörer ab und hörte einige Sekunden zu. Dann fuhr er fort:
»Wir haben gerade eben über Satellit einen Filmbericht über den Staatsbesuch, der ein so tragisches Ende nahm, erhalten, den eine amerikanische Gesellschaft aufgenommen hat.«
Der Film war von schlechter Qualität, aber doch so deutlich, dass er eigentlich nicht hätte gezeigt werden sollen.
Zuerst erkannte man einige Bilder von der Ankunft der Präsidentenmaschine und dann den hohen Gast selbst, wie er huldvoll dem Empfangskomitee zuwinkte. Danach schritt er uninteressiert die Ehrenkompanie ab und begrüßte mit stereotypem Lächeln die wichtigsten Persönlichkeiten des Landes. Es folgten einige Bilder von dem Geleit. Die Sicherheitsmaßnahmen schienen
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