Die Terroristen
umfassend, soweit man das beurteilen konnte. Dann kam der Höhepunkt der Sendung. Der Kameramann der Fernsehgesellschaft hatte sich zufällig am taktisch richtigen Platz aufgestellt. Wenn der Mann 50 Meter näher an der Unglücksstelle gewesen wäre, hätte er nicht mehr gelebt. Hätte er andererseits 50 Meter weiter weg gestanden, dann wären ihm diese Bilder nicht möglich gewesen. Alles geschah sehr schnell. Man sah eine enorme Feuersäule, Autos, Tiere und Menschen, die hoch in die Luft geschleudert wurden. Zerrissene menschliche Körper, die in einer Rauchwolke verschwanden, die beinahe wie der Pilz einer Atombombe aussah. Dann schwenkte die Kamera über das Panorama, das augenscheinlich schön war. Eine großartige Fontäne, eine breite, von Palmen gesäumte Allee. Und dann kam das grauenhafte Schlussbild, die vordere Hälfte eines Pferdes, die immer noch anfallartig zuckte neben einem Blechhaufen, der einmal ein Auto gewesen sein konnte, und etwas, das wenige Minuten vorher noch ein lebendiger Mensch gewesen war.
Der Reporter hatte ununterbrochen und in einem lustvollen und exaltierten Tonfall gesprochen, den nur amerikanische Nachrichtensprecher zu beherrschen scheinen. So, als ob er gerade begeistert den Untergang der Welt beobachte.
»Fürchterlich«, sagte Rhea und begrub das Gesicht in den Kissen des Stuhls. »In was für einer Welt leben wir.«
Aber für Martin Beck sollte es noch schlimmer kommen.
Der schwedische Sprecher übernahm jetzt wieder.
»Es wird gerade mitgeteilt, dass die schwedische Polizei einen speziellen Beobachter am Ort des Geschehens hatte, Kriminalinspektor Gunvald Larsson vom Dezernat für Gewaltverbrechen in Stockholm.«
Der Bildschirm wurde jetzt von einem Foto, das Gunvald Larsson darstellte, voll ausgefüllt. Er sah schwachsinnig aus, und sein Name war wie üblich falsch geschrieben. Der Sprecher erschien wieder und fuhr fort: »Informationen über das Schicksal von Kriminalinspektor Larsson konnten wir leider bisher nicht erhalten. Die nächsten Nachrichten werden im Radio zu den bekannten Zeiten gesendet.«
»Verdammt«, knurrte Martin Beck. »Verdammte Scheiße.«
»Was hast du denn?«, fragte Rhea. »Gunvald. Er ist immer in der Nähe, wenn es knallt.«
»Ich wusste gar nicht, dass er dir so nahe stand.«
»Aber das tat er. Auch wenn ich es nicht gesagt habe.«
»Man soll aussprechen, was man meint. Komm, wir gehen schlafen.«
Zwanzig Minuten später war er mit der Wange an ihrer Schulter eingeschlafen.
Die Schulter wurde bald gefühllos und der Arm gleich danach. Aber sie bewegte sich nicht. Lag nur im Dunkeln wach und hatte ihn gern.
5
D er letzte Pendelzug dieses Abends, der von Stockholm kam, hielt in Rotebro, und ein einziger Passagier stieg aus.
Der Mann, der einen dunkelblauen Jeansanzug und schwarze Gymnastikschuhe trug, ging schnell den Bahnsteig entlang und die Treppen hinunter; erst als er den hellen Lichtschein der Lampen auf dem Bahnhof verlassen hatte, verlangsamte er seine Schritte.
Er lief ohne Eile durch den älteren Teil der kleinen Stadt, an Zäunen, niedrigen Mauern und gepflegten Hecken vorbei, die die Gärten umgaben. Die Luft war kühl, aber es war windstill, und überall duftete es aus den Gärten.
Dies war die dunkelste Stunde der jetzt schon sehr kurzen Nacht - in wenigen Wochen würde die Sonne ihren höchsten Stand erreicht haben -, und der Junihimmel wölbte sich leicht bläulich über dem einsamen Nachtwanderer.
Die Häuser auf beiden Seiten des Weges lagen im Dunkeln, nichts war zu hören außer dem Geräusch seiner eigenen Gummisohlen auf dem Bürgersteig.
Während der Fahrt im Zug war er rastlos und nervös gewesen, aber jetzt fühlte er sich ruhig und entspannt und ließ die Gedanken schweifen.
Ein Gedicht von Elmer Diktonius fiel ihm ein, und er murmelte einige Zeilen im Rhythmus seiner Schritte:
»Geh deinen Weg behutsam aber zähle nicht die Schritte denn die Furcht tötet sie.«
Manchmal hatte er selbst versucht, ein Gedicht zu schreiben, mit kläglichem Resultat, aber er las gerne Lyrik und hatte viele Gedichte seiner Lieblingsdichter auswendig gelernt.
Während er vor sich hin schritt, hielt er die ganze Zeit hindurch die beinahe einen halben Meter lange Eisenstange, die er im rechten Ärmel der Jacke stecken hatte, fest mit der Hand umschlungen.
Als der Mann Holmbodavägen überquert hatte und in das mit Reihenhäusern bebaute Gebiet kam, wurden seine Bewegungen vorsichtiger und seine ganze Haltung wachsamer.
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