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Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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den Hals gelegt und das andere Ende des Stricks an einem der Brückenpfosten festgebunden. Dann waren sie über das Geländer geworfen worden.
    Brücken waren Verbindungen von Mensch zu Mensch, zu heilig, um als Galgen missbraucht zu werden. Adelia wünschte, Gyltha hätte Allie nicht mitgebracht. Was jetzt kam, sollte ihre Tochter nicht sehen. Andererseits schaute ihr Kind sich mit wachen, frohen Augen um. Diese Umgebung bot endlich eine Abwechslung, eine wohltuende Abwechslung von den Sträßchen im Kloster, in denen sie täglich herumgetragen wurde, damit sie frische Luft bekam. Die Brücke war Bestandteil eines Gemäldes in Weiß, ihre Spiegelung im vereisten Fluss war vollkommen, und der Wasserfall auf der Seite der Mühle war wie zu gemeißelten Säulen erstarrt.
    Dahinter glitzerte das reglose Mühlrad mit seinen Eiszapfen wie von tausend Stalaktiten. Der verzerrte Tod verunzierte auf obszöne Weise dieses Bild. »Lass sie nicht die Leichen sehen«, wies sie Gyltha an.
    »Lass sie sich dran gewöhnen«, sagte Gyltha. »Sie kriegt noch oft genug Erhängte zu sehen, wenn sie größer wird. Mein Pa hat mich zu meiner ersten Hinrichtung mitgenommen, als ich drei war. Hat mir sogar Spaß gemacht.«
    »Ich will aber nicht, dass es ihr Spaß macht.«
    Die Körper nach oben zu ziehen würde nicht leicht werden. Durch das viele Eis waren sie noch schwerer geworden, und die Stricke, an denen sie hingen, waren so fest über das Geländer gespannt, dass sie daran festgefroren waren.
    Walt trat neben Adelia.
    »Die Priorin sagt, wir sollen nich helfen. Anscheinend müssen sie das selbst machen.«
    Schwester Havis überlegte einen Moment und erteilte dann ihre Anweisungen. Während eine Nonne mit Fitchets Messer das Eis von den Stricken kratzte, beugte sich die größte von ihnen, die Cellerarin, über das Geländer und packte mit einem ausgestreckten Arm das Haar eines der Gehenkten. Sie hob ihn ein wenig an, damit der Strick sich lockerte.
    Eine Möwe, die an den Augen des Mannes gepickt hatte, flatterte kreischend in den klaren Himmel. Allie sah, wie sie davonflog.
    »Zieht, meine Schwestern.« Die Stimme der Priorin hallte dem Vogel nach. »Zieht, im Namen der barmherzigen Muttergottes.«
    Eine Reihe schwarzer Rücken beugte sich übers Geländer. Sie zogen mit aller Kraft, und ihre Atemluft strömte aufwärts wie Rauch.
    »Was zum Teufel treibt ihr Frauen da?«
    Lord Wolvercote war auf der Brücke erschienen und wurde von den Schwestern ebenso wenig beachtet wie die Möwe. Er trat vor, eine Hand am Schwert. Fitchet und Walt und einige andere Männer krempelten die Ärmel hoch. Wolvercote blickte sich um. Das hilflose Achselzucken seines Wachpostens verriet ihm, dass er gegen Gottes Frauenbataillon keine Hilfe zu erwarten hatte. Sie waren in der Überzahl. Stattdessen brüllte er: »Lasst sie, wo sie sind. Das hier ist
mein
Land,
meine
Hälfte der Brücke, und ich lasse Schurken hier hängen, solange es mir beliebt.«
    »Es ist unsere Brücke, Mylord, das wisst Ihr genau.« Das war Fitchets Stimme, laut, aber auch müde, weil dieser Streit schon so lange währte. »Und die Mutter Äbtissin will nich, dass Leichen dran hängen.«
    Inzwischen war ein Körper oben, und da er völlig steif war, mussten die Schwestern ihn praktisch kerzengerade über das Geländer heben. Sein Kopf hing schief, neugierig in Richtung des Mannes geneigt, der ihn zum Tode verurteilt hatte.
    Die Nonnen legten ihn auf die Karre und traten dann wieder ans Geländer, um seinen Kameraden zu bergen.
    Der Disput hatte die Familie des Müllers alarmiert, und jetzt säumten Gesichter die Fensterbänke, um die weißen Wölkchen zu betrachten, die wie Drachenatem von den streitenden Männern aufstiegen.
    »Das waren Räuber, du Tölpel. In Besitz von gestohlenem Eigentum, und ich habe an ihnen ein Exempel statuiert, wie das mein Vorrecht ist. Lasst sie
hängen.
«
    Er war groß, etwa um die dreißig, hatte einen dunklen Teint und wäre ein gutaussehender Mann gewesen, wenn in seinem schmalen Gesicht nicht ein unentwegt verächtlicher Ausdruck gelegen hätte, der in diesem Moment noch durch Wut verstärkt wurde. Emma hatte hingerissen von der poetischen Neigung ihres Zukünftigen geschwärmt, doch in diesem Gesicht sah Adelia keine Poesie. Nur Dummheit. Er hatte an den beiden Dieben ein Exempel statuiert, sie hingen seit zwei Tagen hier, und da der Fluss derzeit nicht befahren wurde, waren sie inzwischen von jedem gesehen worden, der sie sehen konnte. Ein

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