Die Teufelshaube
auf die Dokumente vor sich; diese ganze Geschichte roch nach Todsünden, und Pater Paton zog die Menschlichkeit in ihrer abstrakteren Form vor. »Seid Ihr sicher?«, fragte er immer wieder. »Gewiss nicht. Wie könnt Ihr es wagen, derlei Dinge zu vermuten?«
Adelia blieb hartnäckig, durchbohrte ihn mit Logik, als spieße sie eine Nadel durch einen Schmetterling. Sie mochte ihn nicht besonders, und er mochte sie überhaupt nicht, aber er war unbeteiligt an dem Kampf, den sie führte, und sein Verstand war wie eines seiner Kassenbücher. Adelia brauchte ihn als Register.
»Über das alles müsst Ihr absolutes Stillschweigen bewahren«, schärfte sie ihm ein. »Sprecht mit niemandem darüber, außer dem König.« Dieser blutarme kleine Mann musste ihr Wissen aufbewahren, damit er es im Falle ihres Todes an Henry Plantagenet weitergeben konnte. »Wenn der König kommt, wird er wissen, was zu tun ist.«
»Aber ich weiß es nicht!«
»Doch, das tut Ihr.« Und dann sagte sie ihm, wonach er suchen musste.
»Das ist unerhört.« Er war entrüstet. »Und überhaupt, ich bezweifle, dass es, selbst wenn es noch vorhanden ist, Euren Fall beweist.«
Adelia bezweifelte das auch, aber es war ihre einzige Waffe. Sie versuchte, eine Zuversicht an den Tag zu legen, die sie gar nicht empfand. »Der König
wird
kommen«, sagte sie, »und er wird am Ende den Sieg davontragen.« Das war ihre einzige Gewissheit. Eleanor mochte ja eine Ausnahmepersönlichkeit sein, aber sie hatte sich mit einem Mann angelegt, der sein Königreich wie ein Koloss überragte. Sie konnte nicht gewinnen.
In diesem Punkt war Pater Paton mit ihr einer Meinung. »Ja, ja«, sagte er, »eine Königin ist bloß eine Frau und unfähig, für irgendetwas erfolgreich zu kämpfen, nicht mal für sich selbst. Das Einzige, was sie zu erwarten hat, ist Gottes Strafe für ihre Rebellion gegen den rechtmäßigen Herrscher.«
Dann fuhr er Adelia an. »Und auch Ihr, Mistress, seid bloß eine Frau, sündig, unverschämt, und ob Ihr nun recht habt oder nicht, Ihr solltet diejenigen, die über Euch stehen, nicht in Frage stellen.«
Sie zügelte ihren Zorn und verlegte sich stattdessen darauf, den Priester zu ködern. »Wenn der König kommt«, sagte sie, »wird er wissen wollen, wer Rosamund ermordet hat. Dem Mann, der ihm sagen kann, wer es war, wird gewiss große Anerkennung zuteil werden.«
Sie sah, wie der Mund des Priesters sich spitzte, während er im Geiste eine Soll-und-Haben-Rechnung anstellte, bei der er eine mögliche Ernennung zum Abt oder gar Bischof gegen die Risiken und Gefahren dessen abwog, was er für Adelia tun sollte.
»Ich denke, ich würde Gott dienen, der die reine Wahrheit ist«, sagte er bedächtig.
»Das werdet Ihr«, sagte sie und ging, damit er zur Tat schreiten konnte.
Und dann war Weihnachten.
Zur Messe drängten sich so viele in die Kirche, dass sie richtig warm wurde und der menschliche Körpergeruch den frischen, bitteren Duft der Stechpalmen und Efeugirlanden fast überdeckt hätte.
Adelia geriet in ihrem Bibermantel ins Schwitzen. Sie behielt ihn an, weil sie darunter den Bliaut trug, den Eleanors Näherinnen noch gerade rechtzeitig fertiggestellt hatten, und mit all dem anderen Zierrat, den die Königin ihr geschenkt hatte, in dem Gewand so hübsch aussah, dass sie fürchtete, Aufmerksamkeit zu erregen.
»Nun zeig dich doch ruhig«, hatte Gyltha genörgelt, »du siehst gar nich mal schlecht aus.« Was aus ihrem Munde ein echtes Lob war.
Doch der Instinkt, den Blick des Mörders zu meiden, war noch immer stark. Vielleicht würde sie den Mantel beim Fest ablegen, vielleicht aber auch nicht.
Das Chorgestühl, das erneut den Nonnen vorbehalten war, bildete eine schwarz-weiße Umrahmung für den mit Stickereien bedeckten Altar, auf dem zahllose Kerzen erstrahlten, sowie die Roben des Abtes und der zwei Priester, die sich wie leuchtende Schachfiguren durch die Litanei bewegten.
Die Magie war unfehlbar.
Die Schlange, die zur heiligen Kommunion anstand, umfasste mörderische Männer, zerstrittene Söldnertruppen, jede Spielart menschlicher Schwächen und Kümmernisse, doch als sie sich still vorwärtsbewegte, wurden alle von der gleichen Ehrfurcht erfasst. Vorne angekommen, kniete der Müller neben einem der Männer, die ihn malträtiert hatten, empfing Adelia die Hostie vom Abt von Eynsham, dessen Hände sich einen kurzen Moment segnend auf den Kopf der kleinen Allie senkten. Der Kelch wurde von einem Wolvercote-Söldner zu einem
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