Die Teufelshaube
eben. Ihr Fuhrwagen, Pater Patons »Transportmittel«, war solide gebaut, umhüllt von lila Wachstuch zum Schutz gegen die Witterung, und auf dem Stroh im Innern lagen Kissen verteilt – aber das Gefährt war nicht für schnelles Fahren gedacht. Nach drei Stunden erklärte Gyltha, wenn sie noch viel länger in diesem Mistding bleiben müsste, würden ihr die Zähne vom ständigen Klappern ausfallen, und das arme Kind würde den Verstand verlieren.
Also stiegen sie aufs Pferd um und steckten die kleine Allie wie eine Larve im Kokon in eine gut ausgepolsterte Satteltasche. Wächter, der Hund, landete weniger sacht in der anderen. Der Wechsel ging rasch vonstatten, um nicht den Anschluss an den Bischof zu verlieren, der nicht auf sie warten würde.
Jacques, der Bote, war vorausgeschickt worden, um den Bischofspalast in St. Albans für ihre Übernachtung vorzubereiten. Am darauffolgenden Tag würden sie im Barleycorn in Aylesbury absteigen.
Es war kalt und wurde noch kälter, je weiter sie nach Westen kamen, so als wehte ihnen Henry Plantagenets eisiger Atem in den Nacken und käme stetig näher.
Sie erreichten das Barleycorn nicht, weil es an dem Tag zu schneien begann und sie die Straßen verließen, um auf höherem Gelände über den uralten Icknield Way weiterzuziehen, wo Baumalleen und der Kreideboden unter den Pferdehufen das Fortkommen leichter und somit schneller machten.
Auf diesem Höhenzug gab es keine Herbergen, und der Bischof wollte keine Zeit mit der Suche nach einer verlieren. »Wir schlagen ein Lager auf«, sagte er.
Als er ihnen schließlich erlaubte abzusitzen und Adelia vom Pferd steigen wollte, verweigerten ihre Muskeln den Dienst. Sie blickte besorgt zu Gyltha hinüber, die ebenfalls Mühe hatte, abzusteigen. »Geht’s noch?« Die Frau aus dem Sumpfland mochte zäh wie Leder sein, aber sie war auch eine Großmutter und hatte mehr Rücksicht verdient.
»Ich bin an Stellen wund, über die ich lieber nich reden will.«
»Ich auch.« Und es brannte wie verrückt.
Der Einzige, der noch schlimmer aussah als sie, war Pater Paton, dessen üppiges Frühstück in St. Albans im Verlauf des Tages immer wieder aus ihm herausgesprudelt war, begleitet von lautstarkem Stöhnen. »Hätt nich so schlingen sollen«, meinte Gyltha bloß.
Die kleine Allie dagegen hatte die Reise unbeschadet überstanden, schien sie in ihrer gemütlichen Satteltasche sogar genossen zu haben, obwohl sie immer nur kurz gestillt werden konnte, wenn Bischof Rowley einen hastigen Wechsel der Pferde befahl.
Die beiden Frauen nahmen das Baby mit in den Wagen und versorgten dort ihre Wunden mit Salben aus Adelias Arzneikiste. »Davon kriegt Pater Fettwanst nix ab«, sagte Gyltha gehässig. Sie konnte Pater Paton nicht leiden.
»Und der große Dummkopf …« Gyltha ließ sich nur ungern anmerken, wie sehr sie Mansur ins Herz geschlossen hatte, »… würde nich mal was sagen, wenn sein Hintern glühen würde.«
Was stimmte. Der Araber pflegte einen Stoizismus, der an Fühllosigkeit grenzte. Da er als kleiner Junge an byzantinische Mönche verkauft worden war, die seine wunderschöne Diskantstimme bewahrten, indem sie ihn kastrierten, hatte er gelernt, dass Klagen nutzlos war.
In all den Jahren, seit er bei Adelias Zieheltern Zuflucht gefunden hatte und ihr Beschützer und Freund geworden war, hatte sie ihn nie jammern hören. Natürlich sprach er in Gesellschaft von Fremden ohnehin nicht viel. Die Engländer fanden ihn und seine arabische Kleidung schon seltsam genug, auch ohne dass der sechs Fuß große und adlergesichtige Mann mit einer hellen Kinderstimme sprach.
Oswald und Aelwyn, die beiden Waffenknechte, und Walt, der Reitknecht, waren im Umgang mit ihm unsicher, trauten ihm anscheinend irgendwelche okkulten Fähigkeiten zu. Adelia hingegen wurde von ihnen wie Dreck behandelt, wenn Rowley es nicht mitbekam. Zu Anfang hatte Adelia diese Unhöflichkeiten noch der strapaziösen Reise zugeschrieben, doch mit der Zeit war nicht mehr zu übersehen, dass es damit nichts zu tun hatte. Wenn der Bischof oder Mansur nicht in der Nähe waren, halfen sie ihr weder aufs Pferd noch herunter, und wenn sie zwischen den Bäumen verschwand, um einem menschlichen Bedürfnis nachzugehen, verfolgten sie stets leise, beleidigende Pfiffe. Ein paarmal hörte sie Wächter aufheulen, als wäre er getreten worden.
Außerdem hatten sie und Gyltha keine Damensättel bekommen. Rowley hatte zwar welche angeordnet, doch in der Hast waren sie vergessen
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