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Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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auch verloren. War älter als ich, ungefähr elf. Söldner sind gekommen, und Ma ist mit meinen Brüdern und mir in den Sumpf geflohen, aber sie haben Em erwischt. Sie hat geschrien, als sie mit ihr weggaloppiert sind. Das hör ich heute noch. Haben nie rausgefunden, was mit ihr passiert ist, aber sie war auch eine von denen, die nie zurückgekommen sind.«
    Es war eine Belehrung. Adelia hatte Gyltha schon früher einmal über den dreizehn Jahre dauernden Krieg reden hören, aber nur ganz allgemein. Nie so. Die alte Frau war Zeugin des Bürgerkrieges gewesen und beschwor nun Gespenster herauf, die ihr noch immer Schmerz bereiteten. Der Feudalismus mochte hart sein für die kleinen Leute, aber er bot ihnen zumindest Schutz. Adelia, die wohlbehütet und privilegiert aufgewachsen war, bekam zu hören, was geschah, wenn die Ordnung zusammenbrach und die Zivilisation mit ihr.
    »Und es hat auch nix genützt, zu Gott zu beten. Der hat nich hingehört.«
    Männer gaben ihren niedrigsten Instinkten nach, sagte Gyltha. Bauernburschen, die einigermaßen anständig blieben, solange Ordnung herrschte, wurden zu Räubern und Vergewaltigern, als sie sahen, wie diese Ordnung sich auflöste. »Henry Plantagenet, tja, der ist zwar mit Vorsicht zu genießen, aber als er König wurde, hat es aufgehört, verstehst du? Es hat aufgehört. Auf einmal hatten wir wieder Boden unter den Füßen. Das Getreide wuchs wie zuvor, die Sonne ging morgens auf und abends unter, wie sie das soll.«
    »Ich verstehe«, sagte Adelia.
    »Ja, aber du
weißt
nich, wie es war, nich richtig«, entgegnete Gyltha. »Rowley wohl. Seine Ma und sein Pa, das waren einfache Leute, und die haben das alles durchgemacht, genau wie ich. Er sorgt dafür, dass mein Ulf, Gott segne ihn, mit einem vollen Bauch zur Schule gehen kann und keiner ihn aufschlitzen will. Ein bisschen unterwegs sein? Ein paar Schneeflöckchen? Was ist das schon?«
    »Ich habe nur an mich gedacht, nicht?«, sagte Adelia.
    »Und an die Kleine«, sagte Gyltha, streckte die Hand aus und tätschelte sie. »Und auch ein bisschen an Seine Lordschaft, glaub ich. Was mich angeht, ich folg ihm, wohin er will, und bin froh, wenn ich helfen kann.«
    Gyltha hatte die ganze Unternehmung auf eine Ebene gehoben, die Adelia beschämte und ihr Anlass zu Selbstvorwürfen gab. Selbst jetzt noch konnte sie der Begründung für dieses Wagnis keinen Glauben schenken – anders als der Bischof, und wenn er recht hatte und sie dadurch einen Bürgerkrieg verhindern konnten, dann musste auch sie bereit sein, ihr Bestes zu geben.
    Und das bin ich auch, dachte sie mit einer Grimasse. Ulf ist sicher in der Schule, Gyltha und Mansur und mein Kind sind bei mir. Ich bin froh, dass Bischof Rowley Freude in einem Gott findet, der ihn von seinem Begehren befreit hat. Wo sollte ich sonst sein?
    Sie schloss die Augen und überließ sich duldsamer Langmut.
     
    Ein weiterer heftiger Ruck weckte sie. Sie hatten angehalten. Die Plane wurde hochgehoben, und mit der schneidenden Kälte, die ins Wageninnere drang, tauchte ein blaues Gesicht mit einem Eisbart auf. Adelia erkannte den Boten; sie hatten ihn eingeholt. »Sind wir da?«
    »Fast, Mistress.« Jacques klang aufgeregt. »Seine Lordschaft bittet Euch, herauszukommen und sich etwas anzusehen.«
    Es schneite nicht mehr. Der Mond schien von einem sternenübersäten Himmel auf eine beinah schöne Landschaft. Der Bischof und der Rest seiner Entourage standen zusammen mit Mansur am Anfang einer schmalen, buckeligen Steinbrücke, deren Geländer sich deutlich im Schnee abhob. Lautes Wasserrauschen auf der linken Seite ließ vermuten, dass sich dort unten ein Wehr oder ein Mühlgraben befand. Rechter Hand glänzte ein ruhiger Fluss. Bäume ragten auf wie weiße Wächter.
    Als Adelia näher kam, zeigte Rowley hinter sie. Sie wandte sich um und sah ein paar niedrige Hütten. »Das ist das Dorf Wolvercote«, sagte er. Dann drehte er sie so, dass sie über die Brücke hinweg auf ein Gewirr von Dächern blickte, das die Sterne verdunkelte. »Die Abtei Godstow.« Irgendwo zwischen den Gebäuden war Licht zu erahnen, wenngleich die Fenster zu ihrer Seite hin alle dunkel waren.
    Aber sie sollte sich das ansehen, was in der Mitte der Brücke war. Als Erstes erblickte sie ein reglos dastehendes, gesatteltes Pferd. Kopf und Zügel hingen herab, ein Bein war angehoben. Der Reitknecht Walt stand daneben und tätschelte ihm den Hals. Seine Stimme drang schrill und kläglich durch die Stille. »Wer macht

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