Die Teufelshaube
wird er. Das hättet Ihr auch selbst gesehen, wenn Ihr nicht so in Eile wärt.« Sie stupste Mansur an. »Tu so, als würdest du was erklären.«
Rowley stand zwischen ihnen, während Mansur ihre Erkenntnisse auf Arabisch erläuterte und Adelia auf der anderen Seite so tat, als würde sie übersetzen. Sie erzählten ihm die Geschichte eines Mordes, wie die Spuren im Schnee sie erzählt hatten.
»Der Zeitpunkt ist nicht feststellbar. Vermutlich passierte es, nachdem es aufgehört hatte zu schneien. Auf jeden Fall so spät nachts, dass niemand mehr unterwegs war. Sie haben hier auf ihn gewartet, in der Nähe des Tors.«
»Sie?«
»Zwei Männer.« Rowley wurde in den Schatten der Eiche gezogen, wo im Schnee Fußstapfen zu erkennen waren. »Seht Ihr? Der eine trägt genagelte Stiefel, der andere hat Querstreifen an den Sohlen, vielleicht mit Riemen umwickelte Holzschuhe. Sie waren beritten und haben ihre Pferde zwischen die Bäume dort geführt, wo Walt ist. Sie sind zu Fuß zurückgekommen und haben sich hier hingestellt. Während sie warteten, haben sie gegessen.« Adelia hob einen Krümel vom Boden auf und dann noch einen. »Käse.« Sie hielt sie dem Bischof unter die Nase.
Er wich zurück. »Wenn Ihr das sagt, Mistress.«
Die Vigil war zu Ende, und das Kloster lag wieder schweigend da. Von irgendwo tiefer zwischen den Bäumen drang Walts Gebet. »Und der Herr erbarme sich deiner armen Seele, falls du eine hast.«
Ein langer Schrei wie ein Pfeifen, ein Krachen im Unterholz. Stille.
Walt tauchte wieder auf, wischte mit einer Hand seinen Dolch am Umhang ab und fuhr sich gleichzeitig mit der anderen über die Augen. »Gott, wie ich das hasse.«
Der Bischof klopfte ihm auf die Schulter und schickte ihn zu den Wartenden am anderen Ende der Brücke. Zu Adelia und Mansur sagte er: »Die wussten also, dass er kommen würde?«
»Ja. Sie haben auf ihn gewartet.« Selbst der verzweifeltste Wegelagerer würde sich nicht in einer so eisigen Nacht in den frühen Morgenstunden auf die Lauer legen in der Hoffnung, dass zufällig ein Reisender vorbeikommt.
Sie waren bestimmt froh, dass der Schneesturm aufgehört hatte, dachte sie, denn sie konnten schließlich nicht ahnen, dass sie dadurch ihre Schuld in die Schneedecke schrieben, wo die zufällig vorbeikommende Adelia Rachel Ortese Aguilar, die
Medica
der berühmten Medizinschule von Salerno, Sachverständige des Todes und der Todesursachen, sie enträtseln würde.
Und das würde ihnen noch leidtun.
Beim Warten war ihnen noch kälter geworden. Sie hatten mit den Füßen gestampft, um sich aufzuwärmen. Im Geist wartete Adelia mit ihnen, biss in imaginären Käse. Vielleicht hatten sie dem Klang der Komplet gelauscht, die von den Nonnen gesungen wurde, ehe die sich für die drei Stunden vor der Vigil zur Ruhe begaben. Ansonsten war es wohl totenstill gewesen, höchstens der Ruf einer Eule oder der heisere Schrei einer Füchsin hatte die Ruhe unterbrochen.
Da kommt er, der Reiter. Die Straße herauf, die vom Fluss zum Kloster führt, das Hufgeklapper seines Pferdes wird vom Schnee gedämpft, ist aber in der stillen Nacht deutlich zu hören.
Er nähert sich dem Tor, wird langsamer – will er hinein? Doch Schurke Nummer eins ist vor ihn getreten, mit gespannter Armbrust. Sieht der Reiter ihn? Ruft er etwas? Erkennt er den Mann? Wahrscheinlich nicht; der Schatten ist hier sehr dunkel. So oder so, der Bolzen ist abgeschossen und steckt schon tief in der Brust.
Das Pferd bäumt sich auf, der Reiter fällt nach hinten und stürzt zu Boden, wobei die Bolzenfedern zerbrechen. Schurke Nummer zwei packt die Zügel, führt das verstörte Pferd zu den Bäumen und bindet es dort an.
»Er liegt im Schnee und stirbt, das Geschoss einer Armbrust ist fast immer tödlich, ganz gleich, wo es trifft«, sagte Adelia, »aber sie gehen auf Nummer sicher. Einer von ihnen – ein Mann mit großen Händen – erwürgt ihn, während er am Boden liegt.«
»Herr sei uns gnädig«, sagte der Bischof.
»Ja, aber nun kommt das Interessante«, sagte Adelia, als wäre alles andere ganz alltäglich gewesen. »
Jetzt
erst schleifen sie ihn in die Mitte der Brücke. Seht Ihr? Seine Stiefelspitzen haben Furchen in den Schnee gezogen. Sie legen seine Kappe neben ihn – meine Güte, wie kann man so dumm sein! Haben die geglaubt, ein vom Pferd Gefallener liegt so kerzengerade da? Die Beine geschlossen? Gewänder glattgestrichen? Das war Euch aufgefallen, oder? Und dann,
dann,
holen sie sein Pferd auf
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