Die Teufelshaube
gehalten. Schwester Havis war vor einer großen Steinhütte stehengeblieben, die an die Mauer angebaut war, und schloss die Tür auf.
Im Licht ihrer Laterne war zu erkennen, dass die Hütte bis auf eine Leiter und ein paar Werkzeuge leer war. Der Boden bestand aus Steinplatten, doch den meisten Raum nahm eine gewölbte Eisenscheibe mit Griffen ein, die aussah wie der Deckel eines riesigen Topfes.
Schwester Havis trat beiseite. »Man kann sie nur zu zweit anheben.« Sie hatte die gleiche emotionslose Stimme wie ihre Mutter.
Aelwyn und Oswald mussten sich kräftig anstrengen, um den Deckel zu heben. Darunter war ein finsteres Loch, aus dem eine Kälte aufstieg, die selbst in der eisigen Hütte noch spürbar war, und mit ihr drang der Geruch von Stroh und gefrorenem Fleisch nach oben.
Der Bischof hatte der Priorin die Laterne aus der Hand genommen und kniete sich neben das Loch. »Wer hat das Eishaus gebaut?«
»Das wissen wir nicht, Mylord. Wir haben es entdeckt und instand gehalten. Die Mutter Äbtissin glaubt, dass es schon hier war, lange bevor unser Kloster gegründet wurde.«
»Vielleicht die Römer?« Rowley war fasziniert. Die Leiter wurde geholt und so hingestellt, dass er hinuntersteigen konnte. Seine Stimme hallte herauf, als er weitere Fragen stellte, die Schwester Havis kühl beantwortete.
Ja, dass es so weit von der Schlachterei des Klosters entfernt lag, war unpraktisch, aber vermutlich hatten seine Erbauer es so nah an einem eingedeichten Flussabschnitt errichtet, damit die Kammer nicht unterspült wurde und zugleich von der Nähe des kühlenden Wassers profitierte.
Ja, wenn an Michaeli geschlachtet wurde, weil nicht einmal Godstow alle Tiere über den Winter bringen konnte, wurde das meiste zwar eingepökelt, doch dank des Eishauses konnten sie bis in den Frühling hinein oder sogar länger gelegentlich frisches Fleisch genießen.
Ja, selbstverständlich fror der Mühlteich dort drüben nur in sehr kalten Wintern zu, doch in den letzten Jahren war jeder Winter kalt gewesen, und der letzte Frost hatte außergewöhnlich lang gedauert, so dass der Vorrat an Eisblöcken bis in den Sommer hinein hielt. Ja, Seine Lordschaft könne einen Abfluss für das Schmelzwasser sehen.
»Prächtig.«
Adelia hüstelte vielsagend. Rowleys Kopf tauchte auf. »Was denn?«
»Das Totengebet, Mylord.«
»Ach so, ja, natürlich.«
Der Leichnam wurde auf die Steinplatten gelegt.
Die Totenstarre war gewichen, wie Adelia mit Interesse bemerkte, aber das lag gewiss an der einigermaßen warmen Unterbringung im windgeschützten Stroh des Fuhrwagens. Unten in diesem eiskalten Loch würde sie wieder einsetzen.
Die sichere, feste Stimme des Bischofs von St. Albans klang durch die Hütte. »
Domine, Iesu Christe, Rex gloriae
… bewahre die Seelen der Verstorbenen vor den Qualen des Feuers, vor den Tiefen der Unterwelt … dass die Hölle sie nicht verschlinge, noch dass sie hinabstürzen in die Finsternis, sondern dass der Bannerträger Sankt Michael sie ins heilige Licht geleite, wie du es einst Abraham verheißen …«
Adelia fügte lautlos ihr eigenes Gebet hinzu. Und mögen diejenigen, die dich lieben, mir mein Tun vergeben.
Sie stieg zu Oswald und dem Bischof in das Loch hinunter, ehe der Tote hinabgereicht wurde. Ein schrecklicher Ort, wie ein kolossales gemauertes Ei, dessen Inneres rundum mit in Netze gestopftem Stroh isoliert war, über dem weitere Netze die Eisblöcke hielten. An Haken hingen Hälften von Rind, Lamm, Wild und Schwein, weiß von Frost und so dicht beisammen, dass sie nicht hindurchgehen konnte, ohne mit den Schultern an das Fleisch zu stoßen.
Sie suchte eine geeignete Stelle, und als sie sich aufrichtete, verfing sich ihre Kappe in den Krallen irgendwelcher toter Wildvögel, die an ihren eigenen Galgen baumelten.
Mit klappernden Zähnen – und nicht bloß vor Kälte – nahmen sie und die anderen die Füße des Toten entgegen, der von Aelwyn und Walt nach unten gereicht wurde.
Gemeinsam legten sie ihn so unter das Federwild, dass ihm eventuelle Tropfen nicht ins Gesicht fallen würden.
»Es tut mir leid. Furchtbar leid.« Als die anderen schon aus dem Loch gestiegen waren, blieb Adelia noch einen Moment länger bei dem Toten und gab ihm ein Versprechen. »Ob wir deine Mörder fangen oder nicht, ich lasse dich nicht lange hier unten.«
Für sie war es schon fast zu lang. Sie war so starr vor Kälte, dass sie es nicht mehr die Leiter hinaufschaffte und Mansur sie hochhieven
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