Die Teufelshaube
nicht wahr? Und gewiss hattet Ihr viele ausgleichende Vorzüge … Großzügigkeit im Gewähren Eurer Gunst, und so weiter.«
Die Grausamkeit lag nicht nur in den Worten, sondern auch in der enormen physischen Diskrepanz der Frauen. Neben der hohen Gestalt der Königin, die selbst in ihrem Pelzumhang schlank erschien, sah Rosamund schwerfällig aus, und das offen herabwallende Haar wirkte bei einer Frau ihres Alters lächerlich. Im Vergleich zu der erlesen gearbeiteten weißgoldenen Krone, die Eleanor trug, wirkte Rosamunds wuchtig und überladen.
Die Königin wandte sich dem Dokument zu. »Ach, meine Liebe, schon wieder ein Brief an mich? Und Gott hat Euch zu Eis erstarren lassen, als Ihr gerade dabei wart, ihn zu verfassen?«
Adelia öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sie und die Männer an der Tür waren lediglich Publikum in dem Spiel, das Eleanor von Aquitanien mit einer Toten spielte.
»Es tut mir leid, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht hier war«, sagte die Königin jetzt. »Als ich von Eurer Erkrankung erfuhr, war ich gerade erst aus Frankreich gekommen und musste mich um Wichtigeres kümmern, als an Euer Sterbebett zu eilen.« Sie schien zu seufzen. »Wie immer: Erst die Pflicht, dann das Vergnügen.«
Sie hob den Brief auf und hielt ihn in der ausgestreckten Hand. In dem Licht konnte sie ihn nicht lesen, aber das war auch nicht nötig. »Ist der auch so wie die anderen?
Die wahre Königin dieses Landes grüßt die vermeintliche …?
Ein wenig einfallslos, findet Ihr nicht? Nicht wert, aufbewahrt zu werden!«
Sie zerknüllte den Bogen, warf ihn zu Boden und trat ihn mit der Drehung eines feinen Stiefels auf den Steinen platt.
Ganz, ganz langsam neigte Adelia sich seitlich nach unten. Sie schob das Dokument, das sie in der Hand hielt, oben in ihren rechten Stiefel und merkte, wie Wächter ihr dabei die Hand leckte. Er hielt sich in ihrer Nähe.
Sie schaute zu dem Spiegelbild im Fenster, um zu sehen, ob der Mann an der Tür die Bewegung bemerkt hatte. Nein, seine Aufmerksamkeit galt ausschließlich Eleanor, und Eleanors galt Rosamunds Leichnam.
Die Königin legte eine Hand hinters Ohr, als lauschte sie einer Erwiderung. »Das macht Euch nichts? Wie großzügig von Euch, aber man sagt Euch ja nach, dass Ihr Eure Gunst stets großzügig gewährt habt. Ach übrigens, verzeiht, aber der Klunker da gehört mir …« Eleanor hatte der Toten die Krone vom Kopf genommen. »Sie wurde vor zweihundert Jahren für die Ehefrauen der Grafen von Anjou angefertigt, und
wie kann er es wagen, sie einer stinkenden, fetten Hure wie dir zu geben …
«
Dahin war es mit ihrer Selbstbeherrschung. Mit einem Aufschrei schleuderte Eleanor die Krone in das Fenster vor ihnen beiden, als wollte sie damit die Scheibe zerschmettern. Wächter kläffte.
Es war Eleanors Rettung, dass die Krone mit der gefütterten Unterseite des Randes gegen das Fenster schlug. Wäre die Scheibe zersprungen, dann hätte Adelia – die benommen das bebende Spiegelbild weiter betrachtete, nachdem das Wurfgeschoss abgeprallt war – nicht die Spiegelung des Todes gesehen, der von hinten angeschlichen kam. Und auch nicht das Messer in seiner Hand.
Ihr blieb keine Zeit mehr, sich umzudrehen. Er hatte Eleanor im Visier. Adelia warf sich zur Seite, und ihre linke Hand packte die Schulter des Todes.
Bei dem Versuch, das Messer abzuwehren, griff sie daneben, und die Klinge schlitzte ihr die Innenfläche der linken Hand auf. Doch ihr Stoß brachte den Angreifer so aus dem Tritt, dass er zu Boden stürzte.
Alles erstarrte; Rosamund saß unbeteiligt auf ihrem Stuhl, Eleanor war ebenso reglos dem Fenster zugewandt, in dem sich der Angriff gespiegelt hatte, Adelia stand da und starrte auf die Gestalt, die bäuchlings auf dem Boden vor ihren Füßen lag. Die Gestalt fauchte.
Wächter näherte sich ihr, schnüffelte und wich sogleich zurück.
Eine Sekunde lang. Dann schrie Lord Montignard auf, und der Mann im Kettenhemd hatte einen Fuß in den Rücken der liegenden Gestalt gedrückt und sein Schwert mit beiden Händen erhoben. Er bat Eleanor mit einem Blick um die Erlaubnis, zuzuschlagen.
»Nein.« Adelia dachte, sie hätte das Wort gekreischt, doch der Schock dämpfte ihre Stimme, so dass sie einigermaßen ruhig klang.
Der Mann achtete gar nicht auf sie. Unbeteiligt starrte er weiterhin auf die Königin, die eine Hand an den Kopf gehoben hatte.
Sie schien niederzusinken, doch nur, um sich hinzuknien. Die weißen Hände wurden jetzt gefaltet, das
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