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Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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hatte man ihn, Oswald und die anderen Männer doch angewiesen, dort zu bleiben, bis der Bote sie holen kam.
    Was heute Nacht nicht mehr geschehen würde. Niemand würde sich heute Nacht noch einmal in den Irrgarten wagen.
    Sie hatte nur eine Lichtquelle. Rowley hatte seine Kerze mitgenommen. Sie stellte ihre auf den Tisch, so dicht neben die Hand der Toten, wie es ging, ohne sie zu verbrennen – ein klitzekleiner Anfang, um die Leiche aufzutauen, was nicht nur seine Zeit dauern, sondern auch unappetitlich werden würde.
    Adelia dachte an die toten Schweine, an denen sie Verwesung studiert hatte, und zwar auf einem Hof in den Bergen oberhalb von Salerno, den ihr Lehrer Gordinus eigens zu diesem Zweck dort unterhielt. Sie versuchte, sich vor allem an die gefrorenen Kadaver in dem Eishaus zu erinnern, das er tief in Felsgestein hatte schlagen lassen. Sie konzentrierte sich auf Gewicht, auf Zeitspannen, sie stellte sich die nadelfeinen Eiskristalle vor, die Muskeln und Gewebe hart werden ließen … und die Säfte, die entstanden, wenn sie schmolzen.
    Die arme Rosamund. Sie würde den Peinlichkeiten des Verfalls ausgesetzt sein, wo doch alles in diesem Raum von einem Menschen kündete, der Eleganz liebte.
    Die arme Dakers, die ihre Herrin zweifelsohne bis zum Wahnsinn geliebt hatte.
    Die ihr auch eine Krone aufgesetzt hatte. Eine echte Krone, kein modisches Diadem, keinen Kranz, keinen Stirnreif, sondern ein altes Exemplar aus massivem Gold mit vier Spitzen, die in Form einer Lilie aus einem juwelenbesetzten Rand nach oben strebten – die Krone einer königlichen Gemahlin. Sie, so sagte Dakers damit, ist eine Königin.
    Und doch hatte dieselbe Hand das schöne Haar so gebürstet, dass es jetzt offen über Schultern und Rücken der Toten hing wie bei einer Jungfrau.
    Ach, nun fang schon an, mahnte Adelia sich. Sie war nicht hier, um sich von den unergründlichen Tiefen menschlicher Leidenschaft faszinieren zu lassen, sondern um herauszufinden, warum jemand den Tod dieser Frau gewollt hatte und wer dieser Jemand war.
    Sie wünschte, von unten wären irgendwelche Laute zu hören gewesen, um die Totenstille des Zimmers zu unterbrechen. Vielleicht lag es ja so hoch, dass kein Geräusch bis hier heraufdrang.
    Adelia richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Schreibtisch, eine gruselige Angelegenheit, weil das dunkle Fensterglas auf der gegenüberliegenden Seite wie die Versilberung eines Spiegels wirkte, so dass sie und die Leiche Seite an Seite darin reflektiert wurden.
    Ein hübscher, auf Hochglanz polierter Tisch. Dicht neben der linken Hand der Toten stand eine Schale mit kandierten Pflaumen, als wollten ihre Finger gleich danach greifen.
    Die Schale war schwarz und rot und mit Athleten bemalt, wie die uralte Vase, die ihr Ziehvater in Griechenland entdeckt hatte und die ihm so kostbar war, dass niemand außer ihm sie anfassen durfte. Rosamund bewahrte in ihrer Süßigkeiten auf.
    Ein gläsernes Tintenfässchen, eingefasst in eine goldene Filigranarbeit. Ein eleganter lederner Behälter für die Schreibfedern und ein kleines Messer aus Elfenbein und Stahl, um sie anzuspitzen. Zwei Bögen hochwertiges Velin, beide engbeschrieben, lagen Seite an Seite, einer unter der rechten Hand. Ein fast leerer Sandstreuer, passend zum Tintenfass, ebenfalls aus Glas und mit Goldfiligran. Ein kleiner Brenner, um das Siegelwachs zum Schmelzen zu bringen, das in Form von zwei roten Stangen danebenlag, die eine kürzer als die andere.
    Adelia suchte nach einem Siegel und fand keines, aber an einem Finger der Toten steckte ein großer Goldring. Sie hob die Kerze näher an den Ring. Die runde Oberseite war eine Prägeform, die, wenn man sie in weiches Wachs drückte, die beiden Buchstaben
R.R.
zurücklassen würde.
    Rosamund Regina?
    Hmm.
    Dakers hatte zeigen wollen, dass Rosamund lesen und schreiben konnte – keine geringe Leistung in England, selbst bei hochgeborenen Frauen –, warum sonst hätte sie sie in dieser Haltung hergerichtet? Und sie hatte offensichtlich viel geschrieben. Die Gerätschaften auf dem Tisch waren häufig benutzt worden.
    War Dakers einfach nur stolz darauf gewesen, dass ihre Herrin schreiben konnte? Oder gibt es da noch eine andere Botschaft, die mir entgeht?, fragte sich Adelia.
    Sie betrachtete die beiden Bögen Velin genauer. Sie hob denjenigen auf, der direkt vor der Leiche lag, und stellte fest, dass er in diesem Licht nicht zu entziffern war. Rosamund mochte ja des Schreibens mächtig gewesen sein, aber sie

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