Die Teufelshure
scharfkantigen Zähne.
Sie schrie gellend auf und fasste sich instinktiv an den Leib. Das Kind schien ihre Panik zu spüren und trat ihr heftig gegen den Bauch.
»Was ist?«, rief Annabell zaghaft, als sie sah, dass Madlen ganz bleich geworden war.
»Da!« Madlen war es kaum möglich zu sprechen. »Siehst du den Mann?«, stieß sie keuchend hervor. »Den Kerl mit der Kapuze?«
Annabell warf ihr einen irritierten Blick zu und schaute ratlos in die Menge. »Wen meinst du denn?«
Doch so schnell wie die Gestalt erschienen war, war sie wieder verschwunden. Dafür zeichnete sich eine neue Bedrohung ab. Madlen war sich nicht sicher, aber für einen Moment glaubte sie, in der Menge, die den Markt bevölkerte, nicht nur Soldaten aus den eigenen Reihen zu erkennen. Von überall her tauchten schwarze Gestalten auf.
»Siehst du das nicht?«, fragte sie Annabell, die ihren Beobachtungen offenbar nicht folgen konnte.
»Was?« Annabell reckte ihren Hals und ließ ihren Blick suchend über die Menge schweifen.
»Dort, den älteren Mann, der zu uns herüberschaut.« Madlen deutete mit einem Nicken auf einen nicht weit entfernt stehenden Kerl, der sie mit seinen schwarzen Knopfaugen genauso intensiv anstarrte wie der Vogel zuvor. Im Gegensatz zu Mercurius war der Mann gut genährt und trug keine Kutte, sondern einen schwarzen Anzug mit einem weißen Kragen. Er schien Presbyterianer zu sein, umringt von weiteren Presbyterianern, oder vielleicht waren es auch Puritaner. Die strenge Kleidung ließ in jedem Fall darauf schließen, dass es honorige Männer sein mussten, die in der Stadt etwas zu sagen hatten.
Madlen wünschte sich, John wäre bei ihr. Es drängte sie, angesichts der undurchsichtigen Lage rasch auf vertrauten Boden zurückzukehren. »Komm, lass uns zum Schloss zurückgehen«, sagte sie und packte Annabell am Handgelenk.
»Aber wir haben doch noch gar nicht alles eingekauft«, protestierte Margareth, die zu ihnen aufgeschlossen hatte und einen Messingspiegel und eine Rosshaarbürste in der Hand hielt, die sie soeben erstanden hatte.
»Mir ist nicht gut«, fügte Madlen hinzu, als sie sah, dass die Männer sich in ihre Richtung in Bewegung setzten. Die beiden Wachen, die eigentlich auf sie aufpassen sollten, schäkerten mit ein paar leicht bekleideten Mädchen, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten. Annabell und Margareth hatten Mühe, mit Madlen und Wilbur, der sich an die Fersen seiner Herrin geheftet hatte, mithalten zu können.
»Was ist denn los?«, rief Annabell verstört und schaute sich nach den beiden Wachen um, die augenscheinlich gar nicht mitbekommen hatten, wie schnell sich Madlen entfernte.
Madlen spürte ihr Herz pochen, als sie sich umdrehte und sah, wie nahe die schwarzgewandeten Fremden schon herangekommen waren.
»Schneller, Annabell, Margareth!«, keuchte sie. Plötzlich stieß sie gegen einen der Stadtsoldaten.
»Packt sie!«, rief eine Stimme,
Kurz darauf war Madlen von schwarzgekleideten Männern umringt. Für einen Moment wurde sie von Panik ergriffen, weil sie sich an Cuninghames Schergen erinnert fühlte.
»Das muss ein Irrtum sein«, hörte sie Annabell rufen. Margareth schrie laut um Hilfe. Bevor die beiden Wachen, die sie begleitet hatten, herangekommen waren und erkannten, was geschah, waren Madlens Hände bereits mit Stricken gebunden.
»Ja, das ist sie«, sagte eine wohlbekannte Stimme. Madlen glaubte den Boden unter den Füßen zu verlieren, als sie in das Gesicht von Rosie blickte, die sie hasserfüllt ansah. Hier in den Lowlands konnte sie jeder verstehen, und dass Madlen zunächst aus purer Verzweiflung vergaß, Englisch zu sprechen, ließ den vornehm gekleideten Mann mit Hut, der nun nähergekommen war, hämisch schmunzeln. Er war feist und hatte ein breites verlebtes Gesicht mit einem sauber gestutzten Bart. Seine Augen wanderten flink über Madlens Gestalt.
»Eine hübsche schwarzhaarige Barbarin«, erklärte er mit kalter Miene. »Und sie soll eine Hexe sein? Seid ihr ganz sicher?« Der Mann schaute Rosie mit hochgezogener Braue an.
Rosie bestätigte seine Frage mit einem eifrigen Nicken. »Die Frau ist eine Teufelshure, die das Kind des Satans in sich trägt. Sie hat das Wetter verdreht. Lässt es hageln und regnen, und das mitten im Sommer. Alle sind krank. Die Männer wurden verhext. Das haben wir nur ihr zu verdanken«
Dass mittlerweile jeder meinte, es könne nur mit dem Teufel zugehen, wenn nicht nur die Ernte in der aufgeweichten Erde versank, war eine
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