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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Nachtwächter sagt, sondern Sicherheitsassistent. Dabei macht es keinen Unterschied. Es gibt nicht mehr Geld, und auch sonst bringt es keinerlei Vorteile.«
    »Ach, sei still, du gehörst zu diesen Neunmalklugen«, erklärte Dough mit ärgerlicher Miene. »Große Klappe, nichts dahinter«, zeterte er. »Wir mussten noch arbeiten für unser Geld. Die jungen Kerle von heute wollen sich nur die Eier schaukeln und am liebsten fürs Rumsitzen doppelten Lohn kassieren.«
    Dough zog seine schwarze Öljacke über und schlug sich die Kapuze hoch. »Security« stand in leuchtender Schrift auf dem Rücken. Dann schickte er sich an, die gläserne Wachstube zu verlassen. Draußen war es stockfinster.
    »Willst du nicht wenigstens den Hund mitnehmen?«, rief Randy ihm hinterher, wobei er sich gemütlich in seinem Sessel zurücklehnte und an seinem Kaffee schlürfte.
    Doughs Blick fiel auf Max, den Rottweilerrüden, der seelenruhig auf seiner Decke döste und nicht einmal aufschaute, als Randy die Leine in die Hand nahm. Dabei machte er ein genauso lustloses Gesicht wie sein Herrchen.
    Dough warf Randy einen mürrischen Blick zu. »Dein schlechter Einfluss hat ihn versaut, aber es ist ohnehin besser, wenn ich den Köter hierlasse. Er stinkt, wenn er nass wird.«
    Dough nahm sich die Taschenlampe und schaltete sie ein, bevor er nach draußen verschwand. Hinter ihm schnappte die Tür ins Sicherheitsschloss. Zuerst marschierte er zum Containerlager für Überseegüter. Dann würde er zu den Bürobaracken der einzelnen Handelsunternehmen gehen, die sich mit den Jahren hier angesiedelt hatten. Bisher war in diesem Areal noch nie etwas vorgefallen – wenn man von einem spektakulären Fall von Menschenhandel absah, den Dough zufällig vor zwei Jahren bei einem dieser Routine-Rundgänge aufgedeckt hatte. Sechsundzwanzig chinesische Flüchtlinge waren in einem luftdicht verschlossenen Stahlcontainer eingepfercht gewesen, elf von ihnen hatten noch gelebt. Drei ganze Wochen lang hatten diese bedauernswerten Menschen in dem stählernen Koloss zugebracht, der ihnen – vollgestopft mit asiatischer Maschinenbautechnik – kaum Platz gelassen hatte, die Beine auszustrecken. Zuletzt war nicht nur das Wasser, sondern auch noch der Sauerstoff knapp geworden. Doughs feinem Gehör hatten es die elf Überlebenden zu verdanken gehabt, dass sie aus dieser Hölle befreit worden waren. Der Gestank nach Verwesung, als man die Rampe geöffnet hatte, würde ihm sein ganzes Leben lang in Erinnerung bleiben.
    Seitdem ging er immer zuerst beim China-Kontor vorbei und dann zu den Amerikanern. Doch im Moment standen die meisten Unterstände leer – eine Auswirkung der weltweiten Wirtschaftskrise, die wie ein Orkan über das Land hereingebrochen war. Das Containergeschäft hatte stark nachgelassen. In den vergangenen sechs Monaten hatte es daher zahlreiche Entlassungen gegeben, und viele Arbeiter befanden sich im Zwangsurlaub.
    Unruhen machten die Runde, Gewerkschaften hatten zu Protestkundgebungen gegen Banker und Firmenbosse aufgerufen. Erst gestern hatten Unbekannte in Edinburgh einen Anschlag auf das Haus eines Bankdirektors verübt. Deshalb waren auch hier im Hafen die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt worden. Dough konnte sich jedoch kaum vorstellen, dass sich jemand freiwillig hierher verirrte, um zu protestieren, schon gar nicht mitten in der Nacht.
    Angst hatte er nicht. Er war jetzt achtundfünfzig, und in all den Jahren war ihm – von den Chinesen einmal abgesehen – niemand begegnet, der sich nicht hier hätte aufhalten dürfen.
    Angestrengt horchte er in die Nacht hinein. Er meinte ein Scheppern gehört zu haben, wie damals, als er die Flüchtlinge fand. Doch als er noch einmal lauschte, war nur das Prasseln des Regens zu hören. Er ging weiter und überprüfte die Schlösser an mehreren Lagerhallen, dann ging er zu einer Kühlkammer, in denen gefrorene Rinderhälften aus Argentinien auf ihre Auslieferung in die Fleischmärkte von ganz Großbritannien warteten. Von weitem vernahm er ein Wispern – Stimmen. Er hatte sich also doch nicht getäuscht.
    Dough blieb stehen und schaltete die Lampe aus, damit er von etwaigen Eindringlingen nicht entdeckt wurde. Nun erhellte nur das schummerige Licht der Hafenbeleuchtung die Szenerie. Wie ein Dieb schlich er voran, immer bemüht, nicht zu hart aufzutreten. Die Stimmen kamen näher. An der Hauptzufahrt für die Trucks huschte eine Gestalt zu einem Lagerhaus, in das sie sich Einlass verschaffte. Das Gebäude

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