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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Schwerter. Schränke kippten um, und die Männer begannen heftig zu keuchen, während sie miteinander kämpften.
    All das geschah in fast völliger Dunkelheit. Als Dough seine Nase für einen Moment zu weit aus der Deckung steckte, flog ein runder Gegenstand an ihm vorbei und schlitterte ihm beinahe bis vor die Füße. Während das Ding vor einer Stahlkiste liegen blieb, glaubte Dough zu halluzinieren. Es war ein Kopf! Ein menschlicher Kopf – mit Augen, die noch offen standen und halblangen braunen Haaren, in denen das Blut klebte.
    »Jesus«, flüsterte Dough lautlos und bekreuzigte sich. Während die anderen sich noch gegenseitig die Schädel ein- oder abschlugen, stahl sich er hinter dem Schrank aus der Tür heraus und rannte um sein Leben.
     
    Früh um sechs, im Nachthemd und mit verworrenen langen Haaren begab sich Lilian von Stahl in die Küche und schenkte sich schlaftrunken eine Tasse Tee ein, die ihre Mitbewohnerin frisch aufgebrüht hatte. Lilian hatte während ihrer Studienzeit als angehende Molekularbiologin in Edinburgh eine luxuriöse und doch bezahlbare Unterkunft gesucht und war in einer Annonce auf Jenna MacKays Angebot gestoßen, die in der Nähe der Princess Street eine Wohnung besaß und eine Bewohnerin suchte. Vier Zimmer mit je einem offenen Kamin, zwei Bäder und Stuckdecken inklusive.
    Jenna MacKay war Spurenermittlerin bei Scotland Yard – eine Tätigkeit, die nicht selten unchristliche Arbeitszeiten mit sich brachte. Während sie noch im Bad weilte, setzte sich Lilian an den Küchentisch und startete ihren Laptop. Drei E-Mails waren im Posteingang zu finden. Eine von ihrem Vater, der sich nach ihrem Befinden erkundigte, eine weitere von der Uni, die sie für einen Vortrag über DNA-Polymerase buchen wollte, aber erst die letzte E-Mail weckte ihre Aufmerksamkeit. Alexander von Stahl, ihr Bruder, hatte ihr vor ein paar Tagen ein Päckchen geschickt, dessen Inhalt angeblich hochbrisant sein sollte.
    Morgen, Lily, wollte nur kurz nachfragen, ob Du die Analyse schon durchgeführt hast? Wenn ja, ruf mich an und verrate mir, ob Dir die von mir gemachten Angaben ausreichen, um zu einem Ergebnis zu gelangen.
    Gruß und Kuss
    Dein Alex
    Alex war Student der Biochemie in Köln und hatte vor einigen Wochen ein Praktikum bei den Vereinten Nationen beendet, das ihn im Rahmen eines internationalen pharmakologischen Projektes in die Urwälder von Brasilien geführt hatte. Seit seiner Rückkehr brütete er in seiner Studentenbude in Köln über der Frage, ob das Ayanasca – ein indianisches Gebräu aus seltenen Pflanzenextrakten, die nur zu bestimmten Jahreszeiten im Dschungel des Amazonas geerntet wurden und das ein alter Ayani-Schamane ihm gegen seinen MP3-Player überlassen hatte – so interessant sein konnte, dass man es weiteren Untersuchungen unterziehen sollte. Bei einer ersten Analyse hatte er eine erstaunliche Entdeckung gemacht, die er vorerst nur mit seiner Schwester teilen wollte.
    Lilian dachte an die bernsteinfarbene Flüssigkeit in den sechs gläsernen Phiolen, die er ihr mit einer speziell gesicherten Luftfracht per Express zugeschickt hatte, und dass es besser sein würde, wenn Jenna zunächst nichts über deren Inhalt erfuhr.
    »Genau genommen handelt es sich dabei um eine psychedelische Droge« hatte Alex ihr erklärt, »die als Quelle für Dimethyltryptamin angesehen werden darf und deren primäre Pflanzenstoffe bei ausreichender Dosis genügend Monoaminoxidasehemmer enthalten, um psychoaktiv zu wirken, was nichts anderes bedeutet, als dass sie Halluzinationen hervorrufen können. Der Clou bei meiner Entdeckung ist jedoch, dass die gewöhnliche Mischung verändert wurde und mit dem Stoff eine Verbindung zwischen einem offensichtlich vorhandenen genetischen Erinnerungsvermögen in den Körperzellen und jenem Teil des Gehirns hergestellt werden kann, das für Langzeiterinnerungen zuständig ist. Das bedeutet vermutlich nichts anderes, als dass man mit dem Mittel – in die Vene injiziert – über eine Art von Vision einen direkten Kontakt zu belebten Bildern aus der Vergangenheit seiner biologischen Vorfahren herstellen kann.«
    Alex hatte die Substanz inzwischen im Selbstversuch ausprobiert und eine beängstigend echte Szene aus dem Ersten Weltkrieg miterlebt. Es musste eine Erinnerung seines damals achtzehnjährigen Urgroßvaters gewesen sein, die Alex in einer Art Alptraum widerfahren war. Jedenfalls hatte man seinem Vorfahren augenscheinlich in Verdun ein Bein abgeschossen, und

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