Die Teufelshure
dienstbeflissener Stimme. »Bisher können wir keine Tendenzen verzeichnen, dass sie einen Racheakt wegen Paris planen.«
John gab ihm die Mappe zurück und lächelte schwach. »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben«, bemerkte er leise und hoffte gleichzeitig, dass es wenigstens noch eine Weile so ruhig blieb.
Für den nächsten Abend meldete er sich mit dem Hinweis ab, dass er zusammen mit Matthew und Garry, zwei weiteren Mitarbeitern in seinem Team, inkognito nach Glasgow reisen müsse, um einen Einsatz vorzubereiten. Er bekam die Freigabe für einen Helikopter und eine Berechnung der satellitenüberwachten Strecke. Matthew und Garry machten erstaunte Gesichter, als John, kaum dass sie in Glasgow angekommen waren, seinen Overall gegen einen teuren Business-Anzug wechselte und in der Tiefgarage des vollgesicherten Außenbüros verschwand. Wenig später raste er mit einem firmeneigenen schwarzen Audi R8 davon. Niemand wusste, wohin. Allerdings kam auch niemand auf die Idee, Johns Abweichungen vom Plan zu hinterfragen. Er war der Boss, und manchmal geschah es, dass gewöhnliche Mitarbeiter in Führungsaktivitäten nicht eingeweiht wurden.
Die Abendsonne senkte sich über dem River Clyde, als John auf die M8 auffuhr. Während er nach Edinburgh durchstartete, überkam ihn plötzlich ein lang vermisstes Glücksgefühl. Lilian hatte der Verabredung zugesagt, und er fühlte sich frei – so frei wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr.
Das Tigerlilly, ein Restaurant der gehobenen Kategorie in Edinburghs Westend, war berühmt-berüchtigt für seine grelle Dekoration. John hatte es vorgeschlagen, weil es nur zweihundert Yards von Lilians Wohnung entfernt lag und weil er fand, dass es zu ihrem Namen passte.
Er hatte den Wagen in der Tiefgarage ihres Hauses parken können und sie dann vor der Haustür abgeholt. Gemeinsam spazierten sie auf die andere Straßenseite. Lilian hatte sich ohne Scheu bei ihm untergehakt, und er genoss ihre Nähe und die Wärme, die sie verströmte. Am liebsten hätte er ihr den Arm um die Schulter gelegt und sie an sich gedrückt, doch dafür war es zu früh. Beiläufig erzählte ihm Lilian, dass eine Studienkollegin ihr den Namen des Restaurants als Spitznamen verpasst hatte, weil ihr Faible für Raubtiermuster sogar in ihrer gemeinsamen Studentenbude Einzug gehalten hatte. »Mittlerweile bevorzuge ich gesetztere Farben«, sagte sie und zwinkerte ihm zu, als er ihr im Restaurant aus dem schwarzen Mantel half.
Für einen Moment hielt John den Atem an. Sie trug ein scharlachrotes knielanges Cocktailkleid, dazu schwarze Pumps, die ihre hübschen Beine betonten. Über die Schulter hinweg fiel sein Blick unweigerlich in den Ausschnitt des Kleides, der ihre perfekt geformten Brüste zur Geltung brachte. Sie duftete wieder nach Rosen und Maiglöckchen, und sofort musste er an seine erste Begegnung mit Madlen im White Hart Inn denken.
Lilians Kleid war rückenfrei und ihre Haut leicht gebräunt und so zart, dass John versucht war, darüber zu streicheln. Ihr langes dunkles Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern.
John räusperte sich unwillkürlich, als sie sich zu ihm umdrehte und ihre dunklen Augen ihn anlächelten. Eine Kellnerin geleitete sie zu ihrem Tisch. Das Tigerlilly war voll besetzt. John durchkämmte mit Blicken den Raum, ob sich ein Verdächtiger unter den Gästen befand, eine Unart, die seine Berufung mit sich brachte und die er nie mehr loswerden würde. Erst danach rückte er Lilian den Cocktailsessel zurecht. Krampfhaft versuchte John seine Gedanken an unliebsame Störungen zu verscheuchen. Schließlich hatte er sich auf einen schönen, entspannten Abend gefreut. Lilian schien es nicht anders zu ergehen. Sie lächelte ihn an, als er eine Flasche Champagner orderte.
»Ich möchte mich bei Ihnen für diese wundervolle Einladung bedanken, John.« Sie strahlte ihn unbedarft an, und er verspürte einen plötzlichen Stich im Herzen, weil ihn dieser Anblick in schmerzlicher Weise an Madlen erinnerte. Die Kellnerin entkorkte die Flasche und goss die perlende Flüssigkeit in zwei flache Schalen. Danach teilte sie die Tageskarte aus und gab eine Empfehlung des Chefkochs. Jakobsmuscheln an verschiedenen Salatvariationen. Schottischer Lachs auf Blattspinat. Und zum Nachtisch Zitronensorbet an Dundeekuchen.
»Wunderbar!« Lilian lächelte. »Lauter Lieblingsgerichte. Das ist ja beinahe so, als ob der Koch mit meinem Besuch gerechnet hätte!«
John schluckte. Die Erinnerungen
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