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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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übermannten ihn und rissen ihn in einen Strudel der Gefühle. Lilian bemerkte von all dem nichts. Sie studierte weiterhin das Menü und sah ihn fragend an.
    »Sind Sie mit unserer Empfehlung einverstanden?«, fragte die Kellnerin. »Oder soll ich Ihnen eine zusätzliche Karte bringen?«
    »Was?« Für einen Moment hatte John nicht zugehört. In Gedanken war er wieder in den Highlands. Sein Hochzeitsmahl mit Madlen war ziemlich ähnlich ausgefallen. Damals waren die Flüsse übervoll mit Lachsen gewesen, und auch nach Jakobsmuscheln hatte man nicht lange suchen müssen. Ein Armeleuteessen sozusagen.
    »Ich fragte, ob Sie mit dem Menüvorschlag einverstanden sind?«
    »Mad… äh … Lilian?« John spürte, wie ihm die Hitze zu Kopf stieg. Beinahe hätte er sich versprochen. Dabei war ihm klar, dass es eine mittlere Katastrophe bedeuten würde, wenn man eine Frau zum Essen einlud und sie dann mit dem Namen einer anderen anredete.
    »Ich finde das Menü wunderbar.« Lilian lächelte ihn an. »Ich liebe Lachs, und ich liebe Jakobsmuscheln.«
    »Ja, ich auch«, gestand John abwesend.
    Die Kellnerin nickte zufrieden. »Was möchten Sie trinken?«
    Ohne in die Karte zu schauen, antwortete John: »Bringen Sie uns bitte eine Flasche Corton-Charlemagne, Chardonnay Grand Cru.«
    »John«, flüsterte Lilian verschwörerisch, als die Kellnerin gegangen war. »Die Flasche zu zweihundert Pfund? Sind Sie wahnsinnig, das ist viel zu teuer!«
    »Wir haben doch etwas zu feiern«, erwiderte er gut gelaunt und erhob demonstrativ sein Glas.
    »Was feiern wir denn?« Ihre großen Augen wirkten mit einem Mal so unschuldig wie die eines Kindes.
    »Unser Wiedersehen.«
     
    Lilian hatte das Glas erhoben und prostete ihm zu. Sie mochte es, wenn er sein breites Grinsen aufsetzte, sowie den strahlenden Ausdruck seiner Augen und die Fältchen darunter. Überhaupt hatte er sich ziemlich in Schale geworfen. Der dunkle Anzug war garantiert maßgeschneidert, und das weiße Hemd saß exakt auf Figur. Dazu trug er eine teure Seidenkrawatte in dunklem Rot, die mit winzigen schwarzen Drachen bestickt war.
    »Slainthe Mhath!«
    »Slainthe Mhath, Miss Lilian.«
    »John?« Lilian hatte einen Entschluss gefasst. »Ich möchte Ihnen gerne etwas erzählen, aber nur, wenn Sie mir versprechen, es für sich zu behalten und mich hinterher nicht für verrückt erklären.«
    Er lachte befreit, und seine Hand berührte wie unbeabsichtigt ihre. »Sie können mir getrost alles anvertrauen, was Sie bewegt. Mir kommt es ohnehin vor, als ob wir uns schon seit ewigen Zeiten kennen.«
    »Um es vorwegzunehmen, darauf führt es hinaus.«
    John sah sie verblüfft an. Lilian hatte beschlossen, ihm reinen Wein einzuschenken, auch wenn ihrem Bruder das nicht gefallen würde. Wenn sie John von ihren Visionen erzählte, konnte er vielleicht zur Aufklärung dieser Geschichte beitragen. Oder er hatte gar keine Idee und hielt sie für eine Wahnsinnige. Danach würde er sich vermutlich mit einer Ausrede verabschieden, und Alex würde sie sagen müssen, dass sein Schamanenmittel zwar zur Behandlung von Amnesien geeignet sein mochte, aber möglicherweise keinen Durchbruch im Rahmen der Vererbungslehre darstellte.
    »Wie ich Ihnen schon sagte, arbeite ich als Molekularbiologin. Ich teste zurzeit einen Stoff, der aus lateinamerikanischen Pflanzenextrakten hergestellt wird. Meine Analyse besagt, dass es damit möglich sein könnte, Erinnerungen von Vorfahren mittels eines biochemischen Prozesses aus den eigenen Genen zu extrahieren und über eine ziemlich realistische Halluzination, die durch das Mittel in bestimmten Hirnarealen ausgelöst wird, ins Bewusstsein zu transferieren.«
    John schaute sie aufmerksam an. »Wenn ich Sie richtig verstehe, können Sie Erlebnisse Ihrer Vorfahren in einer Art Vision in Ihrem eigenen Bewusstsein sichtbar machen?«
    »Ja, exakt diese Erfahrung habe ich mit Ayanasca – so wird das Extrakt von den Indianern bezeichnet – gemacht. Obwohl ich zugeben muss, dass mir ein eindeutiger Beweis der Richtigkeit dieser Erlebnisse noch fehlt.«
    »Und wie darf ich mir das vorstellen?«
    Lilian hielt es für ein gutes Zeichen, dass John sie nicht gleich zu einem durchgeknallten Junkie erklärte, sondern allem Anschein nach aufrichtiges Interesse zeigte.
    »Naja … es ist wie ein höchst intensiver Film, live und in Farbe. Man erlebt alles hautnah mit. In meinem Fall schrieb man das Jahr 1648, es war dunkel und kalt, und ich lag irgendwo auf einem Feld. Ich hörte

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