Die Teufelshure
wir. All diese Bilder, vor so langer Zeit. Wie kann das möglich sein?«
»Es ist Magie, nehme ich an«, murmelte er in ihr Ohr, und dabei küsste er ihr glühendes Ohrläppchen. »Aber nun wissen wir wohl endgültig, was uns verbindet, nicht wahr?«
Eine unerklärliche Gewissheit keimte in ihr auf. Etwas, das mit dem Verstand nicht zu begründen war, und doch hatte sie keinen Zweifel mehr. »Du bist also der leibhaftige John«, flüsterte sie beinahe ehrfürchtig. »Der Mann aus meiner genetischen Vergangenheit. Du bist es, der mir seine Liebe in diesem archaischen Bett gestanden hat, und gleichzeitig bist du jener John, der in meiner letzten Stunde neben mir kniete und um mich geweint hat.« Sie sah ihn lange und durchdringend an. Dann fuhr sie ihm mit den Fingern durch sein dichtes, zimtfarbenes Haar und streichelte anschließend sein Gesicht, wobei sie ausführlich seine harten Konturen betastete, als ob sie eine Blinde wäre. »Und auch das hier ist John«, flüsterte sie, »so wie ich ihn vor kurzem erst kennengelernt habe, und das, obwohl ich ihn anscheinend schon seit Ewigkeiten kenne. Wie ist das möglich?«
Ihr Haar duftete nach Rosen und Maiglöckchen. Sie war Madlen, er war ganz sicher, dass sie es war. John hielt sie immer noch in seinen Armen und betrachtete sie voller Faszination. Sie so vollkommen vor sich zu sehen – so verletzlich und so wunderschön –, schmerzte ihn. Einen Moment lang überlegte er, ob er nach Ausreden suchen sollte, aber dann beschloss er, bei der Wahrheit zu bleiben. Er war längst zu weit gegangen, um noch irgendetwas zurückhalten zu können, und irgendwann musste sie es ohnehin erfahren.
»Es ist möglich, weil ich niemals gestorben bin.«
»Willst du dich über mich lustig machen?« Sie blinzelte ihn unsicher an. »Was hat das zu bedeuten?«
»Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit«, flüsterte er und legte seine Rechte aufs Herz, seine Linke hob er zum Schwur. »Ich wurde am 21. April des Jahres 1622 geboren. Ich bin 387 Jahre alt. Und damit eigentlich zu alt für ein Mädchen wie dich.« Er senkte den Blick.
»Du machst Scherze.« Ihr prüfender Blick durchbohrte ihn geradezu.
John setzte sich auf und zog sie an sich. »Ich weiß, das klingt ziemlich abwegig. Doch ich kann es beweisen.«
»Das sagst du immer. Aber ich will endlich wissen, wie.«
Er hatte noch nie mit einem Außenstehenden darüber gesprochen. Das lag in der Natur der Sache. Die Welt würde in einem Chaos versinken, das selbst die Panaceaer nicht mehr beherrschen konnten, wenn herauskam, dass es für Menschen tatsächlich möglich war, die Unsterblichkeit zu erlangen. Deshalb hatte keine von beiden Seiten – ganz gleich, ob Gut oder Böse – ein Interesse daran, die Hintergründe ans Licht der Welt zu bringen.
Bei Lilian würde John eine Ausnahme machen. Sie war Madlen. Sie besaß ihre Seele. Er stand auf, nackt wie er war, während Lilian sich schutzsuchend unter dem Laken verkroch. Sie hielt ihn für völlig verrückt – das konnte er an ihrem panischen Blick erkennen. Erst recht, als er seinen Kampfdolch vom Gürtel zog.
»John?« Ihre Stimme war schrill. »Was soll das werden?«
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er beschwichtigend. »Ich tue dir nichts. Aber du hast einen direkten Beweis verlangt. Ich werde ihn liefern. Das bin ich dir schuldig – bei meiner Ehre.«
»Du bist mir nichts schuldig, John!« Verängstigt rückte sie von ihm ab, als er in aller Seelenruhe neben ihr Platz nahm und seinen linken Unterarm auf seinem Oberschenkel abstützte. Dann setzte er die scharfe Seite des Dolches an seinen sehnigen Muskeln an und durchtrennte das Fleisch mit einem raschen, erbarmungslosen Schnitt. Blut spritzte, aber nur wenig. Lilian sprang mit einem Satz aus dem Bett. Nackt kauerte sie in der Ecke des Zimmers und hielt sich die Hand vor den Mund. Ihr Blick verriet ihre geballte Abscheu. »Du bist ein Irrer, verdammt, ich hätte es wissen müssen!«
»Du tust mir Unrecht«, sagte er und hielt ihr den Unterarm entgegen, wo die Wunde sich bereits sauber zu schließen begann.
Trotz ihrer Furcht trat Lilian ein Stück näher heran, sichtlich fasziniert, um sehen zu können, was dort vor sich ging. »Herr im Himmel«, flüsterte sie nur. »Wie kann das geschehen?«
»Komm zurück ins Bett«, sagte John mit geduldiger Stimme, »dann erkläre ich es dir.« Er selbst stand auf und säuberte den Dolch unter fließendem Wasser, bevor er ihn zurück an den Gürtel steckte.
Er
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