Die Teufelshure
organisieren.« Innerlich kochte sie vor Wut. Warum musste ausgerechnet Jenna für ihre Dummheiten büßen? Und was bezweckten Cuninghame und Bruder Mercurius mit dieser grauenhaften Show? Wollten sie ihr damit unter Beweis stellen, zu was sie fähig waren und was geschehen würde, wenn sie nicht tat, was man von ihr verlangte?
In Gedanken verfluchte sie Bruder Mercurius und wunderte sich nicht schlecht, als wenig später die Tür zu ihrem Verlies geöffnet wurde und eine dürre, große Gestalt Einlass verlangte. Wie ein unseliger Schatten verharrte Mercurius im Halbdunkel, nachdem die Tür hinter ihm wie von Geisterhand geschlossen worden war. Er trug immer noch ein schwarzes Gewand, und erst jetzt wurde Lilian bewusst, dass er gar nicht bei Johns Gefangennahme in diesem seltsamen Labor dabei gewesen war.
»Du hast mich gerufen?« Seine Stimme hallte gespenstisch von den kahlen Wänden wider, und als er den Kopf hob, sah sie seine entstellten Gesichtszüge.
»Nicht, dass ich wüsste.« Lilian warf ihm einen spöttischen Blick zu. Sag nur, diese Fratze ist dein Lieblingsgesicht?«
»Die Owuto, ein ostafrikanischer Stamm, haben mich vor vierhundert Jahren mit ewiger Verdammnis gestraft«, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage nach seiner Verwandlungsfähigkeit. »Sie wollten damit Vergeltung üben, weil ich zu einem Heer von Sklavenjägern gehörte, das einen Teil ihrer Familien verschleppt hatte. Nachdem ich in ihre Hände gefallen war, zerstörten sie mein Gesicht mit scharfkantigen Muschelschalen, und um meine Schmerzen zu steigern, übergossen sie meine Wunden mit einer geheimen Mixtur, die anhaltend tiefe Narben verursachte. Ihre Folter hatte aber auch etwas Gutes. Nachdem ich die Prozedur ohne Jammern überlebt hatte, bekamen die Owuto es mit der Angst zu tun. Ihre Medizinmänner und Zauberer glaubten, ich sei ein Gesandter des Satans, und brachten mich mit dem Unaussprechlichen in Kontakt. Es war ein Stein, der angeblich vom Himmel gefallen war und dem, der das Böse nicht scheute, außerordentliche Kraft verlieh. Man musste das Blut getöteter Feinde mit dem Stein in Berührung bringen und die Mixtur anschließend trinken. Ich spürte die Kraft, die von diesem Trunk ausging, kaum dass ich ihn hinuntergeschluckt hatte, aber auch die Schwäche, wenn ein paar Tage vergingen und er ausblieb. Ich begann mit dem Stein zu experimentieren und fand heraus, dass man mit der Mixtur alle Krankheiten heilen konnte. Eines Tages gelangte ich in den Besitz geheimer Schriften, die eine Verwendung des Steins mit anderen menschlichen Ingredienzien aufzeigte und das ewige Leben versprachen, wenn man sämtliche Skrupel ablegte, was den Umgang mit Menschen betraf, und noch ein paar Schritte weiterging. Ich konnte nicht widerstehen.« Er lachte heiser. »Ich entwickelte ein Elixier, das den Beschreibungen entsprach. Dafür benötigte ich unzählige getötete Menschen, um nur einem das ewige Leben zu schenken. Keine angenehme Angelegenheit, aber es verlieh mir jene Macht, die mir bis heute geblieben ist.«
Als er aufschaute, zwinkerte Lilian ungläubig, weil ihr sein Gesicht plötzlich jung erschien und von aristokratischer Schönheit war. Die schwarzen Locken und die olivfarbene Haut schimmerten matt wie Samt. Nur seine dunklen Augen behielten ihren dämonischen Glanz. »Damals wurde aus Matuín Lefèvre, einem einfachen französischen Korsaren, Bruder Mercurius, der Gesandte des Satans.«
Lilian wollte etwas erwidern, doch im nächsten Moment war Mercurius wieder das, was man sich unter einem leibhaftigen Teufel vorstellte.
»Wie ist so etwas möglich?« Ihre Abscheu verwandelte sich in Neugier.
»Meine Wandlungsfähigkeit gehört ins Reich der Illusion«, bemerkte er beinahe amüsiert. »Die Zauberer der Owuto lehrten mich die Fähigkeit, in den Geist anderer Menschen einzudringen und ihnen die Welt vorzuspiegeln, die sie sehen wollen.«
»Soll das etwa bedeuten, deine Opfer produzieren mit deiner Hilfe nur ihre eigene Wirklichkeit?« Lilians Stimme klang ungläubig.
»Es kommt darauf an.« Mercurius lehnte sich zurück und sah sie abwartend an.
»Worauf?«
»Was du zu glauben bereit bist.«
»Heißt das, ich war es selbst, die John erschießen wollte?«
»Du warst wütend auf ihn, und es fiel dir nicht schwer, es zu tun. Ich habe deine Schwachstelle ausgenutzt. Ich wusste, dass er es nicht zulassen würde. Er ist ein Unsterblicher und mit einer Reaktionszeit gesegnet, der kein normales menschliches Wesen
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