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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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sogar nach Muscheln getaucht.
    »Hab keine Furcht«, flüsterte sie tapfer. »Wenn wir nicht stehen können, werde ich dich halten.«
    Wilbur sträubte sich heftig, als sie ihn die Böschung hinab zum Ufer zog.
    »Wir müssen hinüber, Wilbur«, zischte Madlen hektisch, »oder willst du, dass dich die Hunde beißen?«
    »Nein, Mylady«, stieß er bibbernd hervor.
    Madlen nahm ihm den Umhang ab, damit es weniger Stoff gab, der sich mit Wasser vollsaugen und ihn nach unten ziehen konnte. Aus dem gleichen Grund entledigte sie sich ihrer Unterröcke und auch ihrer Tasche, weil sie einsehen musste, dass die wenigen Habseligkeiten, die sie bei sich trug, nun auch nichts mehr nützten. Nur etwas Geld und ein emailliertes Bild ihrer Mutter, das sie zu den Münzen in einen Lederbeutel steckte, den sie um den Hals trug, wollte sie behalten. Dann setzte sie einen Fuß in die dunklen Fluten.
    Das Wasser war eiskalt und stank zum Himmel. Für einen Moment hielt sie die Luft an. Doch dann spürte sie die Entschlossenheit in ihrem Innern. Wo auch immer sie hingehen würde – zu Chester wollte sie auf keinen Fall zurückkehren. Sollte John sie im Stich lassen, würde sie notfalls versuchen, sich in die Highlands durchzuschlagen oder ins Ausland, um sich unter falschem Namen als Magd zu verdingen. Ob das mit Wilbur möglich war, würde sich zeigen.
    Das Wasser reichte ihr bis zu den Hüften, als sie Wilbur nötigte, ihr endlich zu folgen. Die Hunde waren jetzt schon so nahe, dass sie eine direkte Witterung hätten aufnehmen können.
    Der Junge schien Madlens Angst zu spüren und watete wortlos in das eiskalte Nass. Sie trug ihr Haar aufgesteckt und gab dem Jungen zu verstehen, dass er sich an ihrem Nacken festhalten sollte. Mutig schritt sie voran, und dabei hielt sie die Arme des Jungen fest umklammert. Bis zur Mitte des Flusses schien alles gutzugehen. Sie hatte jedoch nicht bedacht, dass die Flut einsetzte und der Firth sich unentwegt weiter in den Hafen hineindrückte und den Fluss anschwellen ließ. Schon bald stand ihr das Wasser bis zum Kinn, und sie musste feststellen, dass es ihre Kräfte überstieg, zusammen mit dem Jungen, der ihr angstvoll die Luft abschnürte, zum anderen Ufer zu gelangen.
    Ein paar Mal tauchten sie unter, und der Junge begann zu husten, während er panisch nach Luft rang, als sie gemeinsam wieder auftauchten. Madlen war viel zu sehr mit dem Kind beschäftigt, als dass sie bemerkt hätte, wie sich ihre Verfolger mit den Hunden genähert hatten.
    »Da sind sie!«, rief eine dunkle Männerstimme.
    Im Nu hatten Fackelträger das Ufer umstellt. Madlen sammelte ihre ganze Kraft, um wenigstens ihren Kopf und den Kopf des Jungen über Wasser zu halten. Doch je mehr sie sich anstrengte, umso mehr verließen sie die Kräfte. Weil sie sich denken konnte, dass ihre Verfolger im Auftrag von Chester Cuninghame nach ihr suchten, verließ sie auch noch das letzte bisschen Mut. Lieber wollte sie sterben, als nochmal in Chesters Hände zu fallen. Doch da war der Junge. Auch er würde sterben, wenn sie sich einfach auf den Grund des Flusses sinken ließ.
    Noch einmal tauchte sie auf. Das Ufer schien in Reichweite, und doch war es zu weit entfernt, um aus eigener Kraft dorthin zu gelangen. Vielleicht hatte Gott es so gewollt: Sie und der Junge, vereint im Himmel, und eines nicht allzu fernen Tages würde auch John noch hinzukommen. Selbst wenn der ein oder andere von ihnen noch eine Weile im Fegefeuer schmoren musste. Irgendwann wären sie wieder zusammen. Ganz im Gegensatz zu Chester, der, wie sie glaubte, in der Hölle landen würde und ihnen somit nie wieder in die Quere kommen könnte. Ein tröstlicher Gedanke, während ihre Lungen sich langsam mit Wasser füllten.
    Plötzlich wurde sie von kräftigen Händen ergriffen. »Ich hab sie«, keuchte ihr jemand ins Ohr. Feuer spiegelte sich auf den schwarzen Wellen. »Hier, nimm den Burschen, er lebt noch.«
    Madlen spürte, wie sie hart auf der Uferböschung landete. Zwei Hände hoben sie mit Leichtigkeit an und drückten ihr das Wasser aus den Lungen. Jemand hielt ihr die Nase zu und blies ihr seinen heißen Atem in den Schlund. Es war, als ob man ihr die Brust zerreißen würde. Sie hustete, es tat unsäglich weh. Ein Mann riss ihr die Kleider vom Leib und presste ihr die Handflächen rhythmisch aufs Herz. Wieder hustete sie, erbrach sich und spuckte Wasser aus. Und als sie zu atmen begann, schien Feuer ihre Eingeweide zu durchdringen.
    »Sie lebt.« Es klang nüchtern

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