Die Teufelsrose
»Das habe ich über Guyon vom
französischen Nachrichten dienst bekommen. Wie gesagt, nicht sehr
erfreulich, aber ich glaube, es muß sein.«
Das Bild flimmerte einen Moment,
wurde dann scharf. Norah Cassidys Gesicht füllte den Bildschirm
aus, es war verwüstet, von dem strahlenden Mädchen auf dem
Foto war kaum noch eine Spur zu erkennen. Sie weinte hilflos, und dann
fuhr die Kamera zurück, und man sah, daß sie von zwei
Krankenschwe stern festgehalten wurde. Eine Schwester schob den weiten
Ärmel des Krankenhausnachthemds hoch, und die Kamera fuhr
näher, um die zahllosen Einstichnarben von den Heroinspritzen zu
zeigen. Die meisten waren entzündet und näßten.
Der Schauplatz wechselte. Sie lag
jetzt in einem schmalen Krankenhausbett in einem
weißgetünchten Zimmer. Sie schlug wild um sich und fiel nur
deshalb nicht hinaus, weil sie mit quer über den Rahmen gespannten
Riemen gefesselt war. Ein unvermittelter Schnitt: Nahaufnahme ihres
Gesichts in totaler Ruhestellung, entspannt, friedlich, nur daß
sie nicht schlief, sie war tot, und als die Kamera zurückfuhr, sah
man, daß sie nackt auf einer Bahre im Leichenschauhaus lag. Der
Kopf ruhte auf einem Holzblock. Ein Pathologe beugte sich mit einem
Skal pell über sie.
Ferguson sagte: »Das wird
reichen, Harry, wir brauchen diese Quälerei nicht in die
Länge zu ziehen.«
Fox schaltete hastig den
Videorecorder aus. Devlin drehte sich mit Tränen in den Augen zum
Fenster. Er ließ die Schul tern nach unten sacken und stand eine
Weile regungslos da. Dann sagte er ruhig: »Mir wird übel. Wo
ist das Bad?«
»Die Tür da«, sagte Ferguson, und Fox eilte voran und öffne
te für ihn.
Devlin ging hinaus, und Fox nahm das
Videoband aus dem Recorder, ging zu Fergusons Schreibtisch und legte es
vorsich tig, als wäre es ein rohes Ei, darauf.
»Wissen Sie was, Sir?« Seine Stimme bebte. »Alles in allem wäre ich wirklich lieber wieder in Belfast.«
»Ich weiß, Harry, ich weiß. Ein schmutziges Geschäft, ein sehr schmutziges Geschäft. Je länger Sie dabei sind, um so mehr wird es Ihnen klar, aber irgend jemand muß es ja tun.«
Die Tür wurde geöffnet, und Devlin kam zurück. Er ging zum Sideboard, schenkte sich einen doppelten Scotch ein und trank mit kleinen Schlucken.
»Martin liebte das Mädchen wie eine Schwester, wußten Sie das? Im August neunundsechzig brachte sie uns in der Falls Road Munition, sie lief mitten durch den Kugelhagel der anderen. Sie war damals höchstens zwölf.«
Ferguson sagte: »Werden Sie hinfahren?«
»Oh ja«, sagte Devlin mit leiser Stimme. »Sie können sich darauf verlassen.«
»Gut. Sie können von hier aus im Trinity College anrufen, wenn Sie Bescheid sagen müssen. Sagen Sie einfach, Sie brauchen ein paar Tage Urlaub oder so. Was Sie wollen. Sie können heute bei Harry schlafen. Morgen fliegen Sie nach Marseille. Sie bekommen von uns alles, was Sie brauchen, die nötigen Papiere, Geld und so weiter. Sie haben zwei Tage, dann will ich Sie wieder hier sehen.«
»An mir soll's nicht liegen«, sagte Devlin.
»Wir glauben, Barrys Kontaktmann in Paris ist ein gewisser
Nikolaj Romanoff. Ist offiziell Kulturattaché an der sowjeti schen Botschaft. In Wahrheit ein Oberst vom KGB. Hier die Adresse seiner Wohnung am Boulevard St.-Germain, seines Hauses in Neuilly und ein Foto.«
Er reichte alles hinüber, und Devlin betrachtete stirnrunzelnd das Foto. »Der französische Nachrichtendienst hat die Tarnung doch bestimmt durchschaut?«
»Natürlich.«
»Warum nehmen sie ihn sich dann nicht vor?«
»Er hat Diplomatenstatus und müßte deshalb in flagranti erwischt werden. Außerdem haben wir Grund zu glauben, daß der KGB immer noch beim französischen Geheimdienst präsent ist, um es vornehm auszudrücken. Ich glaube, daß er dort Freunde hat. Noch eines, das uns helfen könnte.« Ferguson hielt das alte Foto von Devlin, Brosnan und Frank Barry aus Paris-Match hoch. »Erinnern Sie sich an das Mädchen, das dieses Bild gemacht hat?«
»Anne-Marie Audin.« Devlin nahm das Foto. »1972. Belfast wimmelte damals von Journalisten. Alle wollten eine Story haben. Interviews mit den kühnen Burschen von der IRA. Sie schoß den Vogel ab. Unglaubliches Mädchen.«
»Sie brachte gute Voraussetzungen mit, jedenfalls was Bros nan betraf«, sagte Ferguson. »Sie hatte ihn in Vietnam kennen gelernt. Sie brauchte nur dafür zu sorgen, daß sich ihre Ankunft
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