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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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es von ihm erwarteten.
    Er würde Valdin ignorieren.
    Er würde sich nicht auf Liszt beschränken. Natasja flehte ihn an, ihm bei der Auswahl der Stücke helfen zu dürfen; sie würde auch die Seiten umblättern, wenn er spielte. In dieser Nacht sprachen sie über das ideale Programm. Sie kam mit überraschend guten Vorschlägen. Vielleicht hatte er ihre Musikalität doch unterschätzt. Es war ganz anders, als mit Senna zu reden; die hatte ihren Geschmack oft nicht begründen können. Natasja stand mit beiden Beinen auf der Erde und hatte einen realistischen Blick auf die Musik.
    Am nächsten Morgen radelte er sofort zu Bröll, um ihm die gute Nachricht zu überbringen. Dieser reagierte mit der größtmöglichen Selbstbeherrschung, geradezu scheinheilig: Er tat, als ob ein Comeback für ihn zweitrangig sei. Er sei vor allem besorgt, ob Notovich dem Ganzen überhaupt gewachsen sei. Aber sein Kopf lief rot an, als er laut über mögliche Säle nachzudenken begann. Die Details überließ Notovich gern Bröll. Er hatte nur ein paar Forderungen: Er würde spielen, wozu er Lust hatte, und die Auftritte sollten etwas Inoffizielles haben. Er wollte auch nicht, daß zu viele Spots auf ihn gerichtet wurden. Eine Leselampe, damit er die Tasten sehen konnte, war genug. Die Leute sollten nicht ins Konzert kommen, um zu sehen, sondern um zu hören. Und schließlich das Wichtigste: Niemand durfte denken, daß sein Comeback etwas mit Valdin zu tun hatte.
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    »Ich meine … Nicht, daß es am Ende noch heißt, ich hätte dich gezwungen«, sagte Bröll.
    »Ich mache keinen Rückzieher. Ich hätte das schon viel eher tun sollen.«
    »Aber … hast du das mit deiner Therapeutin besprochen?«
    »Mein Gott, fängst du jetzt auch noch an? Willst du nun mein Agent sein oder nicht?«
    Bröll wirkte erleichtert. Er umarmte Notovich unbeholfen und murmelte so etwas wie »Hab ich's doch gewußt« und »Mußte ja mal werden«. Dann kniff er ihn viel zu enthusiastisch in den Nacken. Notovich fragte sich, wieviel Schulden Bröll eigentlich hatte.
 
    Das Gerücht, daß Notovich wieder auftreten würde, verbreitete sich rasend schnell. Bröll selbst war wahrscheinlich das größte Leck. Die »Neuigkeiten« in der Presse nahmen immer groteskere Formen an: Der exzentrische Notovich spiele angeblich nicht mehr auf einem Flügel, sondern auf einem verstimmten russischen Klavier, das seiner Mutter gehört habe und nach dem Fall der Mauer mit Hilfe der örtlichen Mafia aus Leningrad herausgeschmuggelt worden sei. Er trage den ganzen Tag Handschuhe, um seine Finger warm zu halten. Seine Furcht vor Ansteckung sei so groß, daß er immer jemanden bei sich habe, der die Türen für ihn öffnen müsse. Und Handlanger suchten das ganze Land nach jungen Frauen ab, die sich vor einem Konzert von dem genialen Musiker entjungfern lassen wollten. Nur auf diese Weise könne er sich noch aufputschen, deshalb sei er bei seinem letzten Auftritt auch voller Blut gewesen.
    Notovich erfuhr all diesen Tratsch über Natasja (die das Detail mit dem Blut jedoch wegließ). Wenn er den ganzen Tag geübt hatte, fuhr er mit dem Rad zu ihr. Sie spielte kichernd die Rolle der unschuldigen Studentin, die entjungfert werden wollte. Notovich stürzte sich knurrend auf sie und liebte sie mit Skifäustlingen an den Händen. Es erstaunte ihn selbst, daß er so verspielt sein konnte. Er hatte sich noch nie so frei und voller Energie gefühlt. Er hatte das Bedürfnis hinauszugehen, hatte Interesse an neuen Restaurants oder Filmen, die erschienen. Seine Vorbereitung beeinträchtigte das seltsamerweise nicht. Er verabredete auch nicht mehr als zwei Sitzungen im Monat bei Nicole. Er wollte nicht mehr zurückschauen, sondern nach vorn; die Welt wartete auf ihn.
    Wochenlang hörten sie nichts von Valdin. Bröll setzte Journalisten unter Druck: Wer seinen Klienten in einem Atemzug mit Valdin nenne, brauche nicht mehr mit einem Interview oder einer Einladung zu einem Konzert zu rechnen. Und das wirkte.
    Inzwischen waren auch finanzielle Aufwendungen nötig. Notovich brauchte neue Anzüge, ein Flügel mußte bestellt werden, und Bröll mußte mit vielen Leuten essen gehen. Er zögerte zuerst, Geld auszugeben, doch Notovich ermutigte ihn, von allem nur das Beste zu nehmen. Die Einkünfte würden demnächst wieder hereinströmen. Bröll glaubte ihm nur allzu gern. Schon bald war er zu seinem alten Lebensstil zurückgekehrt und widmete sich mit großer Hingabe seinem

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