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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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Notovich.
    Natasja bot an, die Küche aufzuräumen, damit er sich noch ein wenig mit Linda unterhalten konnte. Die machte sich natürlich Sorgen, doch das sagte sie nicht.
    »Nettes Kind.« Mit der Betonung auf »Kind«.
    »Es ist nicht so, wie du denkst. Du machst viel zu viel daraus.«
    »Aber weiß sie das auch?«
    Er seufzte verärgert.
    »Ist sie dem überhaupt gewachsen? Jemand muß dir ab und zu ein Gegengewicht bieten, das weißt du.«
    »Natasja ist anders.«
    »Das habe ich dich schon so oft sagen hören.«
    »Können wir das lassen, Linda? Ich habe einfach Panik bekommen, das ist doch nicht ihre Schuld. Sie ist ein Schatz, und ich bin ein alter Knacker, der nur mit sich selbst beschäftigt ist. Aber es ist nun mal passiert. Wir haben beide nicht darauf gewartet. Und ich habe auch keine Ahnung, wohin das führt.«
    »Darüber mache ich mir ja gerade Sorgen. Und was glaubst du, wie das auf die Polizei wirkt?«
    »Bitte? Du willst einfach nicht, daß ich glücklich bin. Du kannst einfach nicht zugeben, daß ich ein Recht auf Glück habe. Wir haben Spaß. Sie hält mich mit beiden Beinen auf der Erde. Das ist völlig neu für mich.«
    Sie zog ihre Hand von seinem Knie.
    »Wenn du dich nicht gut fühlst, dann sagen wir das Konzert ab. Okay?«
    »Nein, nicht okay. Ich muß da durch. Siehst du nicht, daß das alles zu meinem Heilungsprozeß gehört?«
    »Das verstehe ich, Mischa. Ich will nur nicht, daß … nicht noch mal …«
    Sie gab ihm einen flüchtigen Kuß und ging. Sie hielt es nicht für nötig, sich von Natasja zu verabschieden. Notovich lief in die Küche und umfaßte Natasja sanft von hinten. Sie wiegte sich mit ihm im Rhythmus unhörbarer Musik. Dann zog er sie zum Flügel und drückte sie in einen Sessel. Er hatte das Bedürfnis, das Schicksal herauszufordern, seinen Dämonen ins Auge zu sehen. Und er brauchte dazu einen Zeugen, um sicher zu sein, daß es auch wirklich geschah. Ohne jedes Zögern spielte er die ersten, drohenden Noten der Sonate in h-moll .

23
    D ie Bühne war über einen kühlen Raum mit grellem Licht zu erreichen. Notovich versuchte, durch ein rundes Fenster in den dunklen Saal zu schauen. Er brauchte nur durch diese Tür zu gehen, um in ein neues Leben zu treten. Jetzt, wo er soweit war, müßte dieser Schritt eigentlich relativ leicht sein, aber die Dunkelheit im Saal flößte ihm Angst ein. Die Welt wirkte auf einmal wie eine einzige große, feindliche Zone. Würde es ihm je wieder gelingen, die Herzen des Publikums für sich zu gewinnen?
    So durfte er nicht denken; er mußte seine Gedanken auf die Aufgabe lenken, die vor ihm lag. Er würde einfach mit dem Anfangsstück beginnen: einer Sonate von Beethoven. Und er brauchte sich jetzt nur auf den ersten Teil davon zu konzentrieren. Den ersten Takt. Die erste Note. Eine Note – das würde er schon hinkriegen.
    Er lockerte seine Hände und spürte, daß ihn jemand in die Seite kniff. Es war Bröll. Notovich mied ihn vor Konzerten, weil er nicht auch noch von dessen Unsicherheit angesteckt werden wollte. Bröll hatte seine Nerven nie unter Kontrolle.
    Sie umarmten sich. Bröll sah auf die Uhr und schaute Notovich fragend an. Der holte tief Luft und nickte entschlossen. Bröll ging durch die Tür, betrat die Bühne und wandte sich mit heiserer Stimme ans Publikum. Notovich zog seine Handschuhe aus und lief auf die Bühne. Aus den Augenwinkeln sah er Natasja mit einem angespannten Lächeln sitzen. Linda hatte er nicht eingeladen, und sie hatte auch nicht darum gebeten. Vielleicht später. Im Saal herrschte absolute Stille, wie vor einem Gottesdienst. Er konnte sich fast vorstellen, daß niemand da wäre, daß er sich nur kurz hereingeschlichen habe, um das Klavier zu testen, mehr nicht.
    Die Klavierbank schien ein wenig zu hoch zu sein, oder bildete er sich das ein? Er drehte sie etwas herunter, stellte dann aber doch wieder die ursprüngliche Höhe ein. Er war abergläubisch wie viele Musiker und Spitzensportler, deren Erfolg von einem einzigen Moment abhängen kann, in dem alles stimmen muß. So mußte die Klavierbank immer nach oben verstellt werden, nicht nach unten. Wenn die Sitzfläche zu hoch war, mußte sie also zuerst ein Stück zu weit nach unten gedreht werden, damit die letzte Bewegung doch wieder nach oben führte. Nach oben war gut.
    Im Saal ertönte nervöses Hüsteln, als ob das Publikum sich bereitmachte, selbst eine Leistung zu vollbringen. Notovich versuchte, seinen Geist frei zu bekommen. Die Sonate Nr. 30

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