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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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kichern. Er nickte ihr steif zu und lief schnell weiter.
    Nachmittags nahm er sich die Etüden von Chopin vor. Chopin war der Komponist, der ihn als Kind ans Klavier gelockt hatte. Das erste Musikstück, mit dem er eine Freundin beeindruckt hatte, war ein Nocturne von Chopin gewesen.
    Nach ein paar Stunden konzentrierter Arbeit donnerte die erste Seite der Etüde Nr. 1 C-Dur fehlerfrei in den Raum.
 
    Das letzte Mal hatte er so intensiv gearbeitet, als Senna wieder bei ihm eingezogen war. Auch damals war er voller Inspiration gewesen. Bei jeder Komposition hatte er neue Möglichkeiten, neue Sichtweisen entdeckt. Senna hatte ihm versprechen müssen, nie mehr in das Haus im Bois de Boulogne zurückzukehren. Wenn sie von ihm weg wolle, würde er ihr ein anderes Zimmer bezahlen, aber diese Stelle im Wald war zu gefährlich. In der Nacht, die sie zusammen dort verbracht hatten, waren sie von einem stämmigen Kerl mit aschgrauer Haut und riesigen Brüsten geweckt worden, der versucht hatte, Notovich das Portemonnaie aus dem Jackett zu ziehen. Sie hatten ihn (oder sie) fortgejagt. Der Junkie hatte draußen noch zwanzig Minuten lang in unverfälschtem Pariser Dialekt herumgezetert.
    Das war der Moment, an dem Senna sagte, daß sie nach Hause wolle. Zu ihm nach Hause. Für Magda fanden sie eine kleine Reitschule und bezahlten dem Besitzer ein paar hundert Euro, damit er sie versorgte.
    In der ersten Nacht bot er an, auf dem Sofa zu schlafen, doch Senna schlüpfte hinter ihm ins Bett und schmiegte sich an ihn. Ihre warmen Hände glitten über seinen Bauch. Er blieb reglos liegen.
    »Was machst du?«
    »Nichts.«
    Sie küßte ihn und schob ihr Bein zwischen seine.
    »Senna …«
    »Laß mich nur. Ich will das. Wirklich. Ich will es schon sehr lange. Aber ich dachte, es wäre besser für dich, besser für deine Musik.«
    »Im Gegenteil, es hat mich ganz verrückt gemacht.«
    »Ich hätte dich nicht so quälen dürfen. Es tut mir leid, es tut mir leid«, sagte sie zwischen ihren Küssen.
    »Ich dachte, du hast einen anderen«, sagte er.
    »Ich bin jetzt für dich da. Nur für dich.«
 
    Die Erinnerung an jene Nacht erregte Notovich. Er sah wieder die Schweißtröpfchen auf ihrer nackten Haut, roch den Geruch ihres Halses und hörte ihr Stöhnen, während er sanft in sie eindrang. Ihr Körper gab seufzend nach. Er versuchte, so vorsichtig wie möglich zu sein, aber von Hemmungen oder einem unverarbeiteten Jugendtrauma war nichts zu spüren. Sie kroch auf ihn und begann langsam, sich rhythmisch hin- und herzubewegen. Er nahm ihre Brüste in seine Hände und küßte sie. Und während sie sich über ihm wand, seufzte und stöhnte, fragte er sich, ob sie nun wirklich die seine sei.
    Ein lautes Piepen weckte Notovich aus seinem Tagtraum. Es war nur eine Erinnerung gewesen. Senna war nicht mehr da. Er hatte das Bedürfnis nach einer Frau, einer echten aus Fleisch und Blut. Er lauschte angestrengt in die Stille.
    Das Telefon piepte wieder.
    Es war Natasja. Sie klang bemüht heiter. Sie langweile sich und sei neugierig auf seine Bude. Scheinbar leichthin erklärte er ihr, daß sein Souterrain nicht sicher sei für kleine Mädchen (was auch stimmte). Sie angelte nach einer Einladung. Aus einer Anwandlung heraus sagte er, daß er zu ihr kommen würde.
    Ihm war bewußt, daß er erst jetzt wirklich eine Grenze überschritt. Beim letzten Mal hatte er sich vielleicht noch hinreißen lassen, um sich aus dem Würgegriff seiner Einsamkeit zu befreien. Doch jetzt würde er vorsätzlich mit ihr schlafen. Wenn er zu ihr ging, schuf das Erwartungen, und Erwartungen schufen Verpflichtungen, und die liefen meistens auf peinliche Szenen hinaus.
    Er ging also zu ihr.
    Es fühlte sich gut an. Besser als er es je empfunden hatte. Auch gesünder. Sie liebten sich langsam und ausgiebig. Dann erzählte er Natasja von seinem Vorhaben. Er tat, als ob er es schon vor langer Zeit beschlossen habe, aber es war eine spontane Eingebung. Er würde wieder auftreten.

21
    E s sollte kein groß aufgezogenes Comeback mit viel Tamtam werden. Er wollte in kleinen Sälen vor musikalischen Feinschmeckern auftreten, die ein Ohr für Subtilität und Tiefgang hatten. Er konnte nicht leugnen, daß ihn Valdins schamlose Herausforderung angestachelt hatte. Sie hatte zweifellos eine Art Wettbewerbsgefühl in ihm hervorgerufen. Aber er wollte unter allen Umständen vermeiden, daß die Leute es als einen Kampf ansahen, ein Duell. Nein, er würde sich nicht so verhalten, wie andere

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