Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
ein Sommerhaus mit einer wärmenden weißen Decke auf dem Dach. Aus dem Schornstein kringelt sich dünner, weißer Rauch, und in allen Fenstern scheint Licht. Natürlich sind alle Lampen eingeschaltet, obwohl es nur ein grauer Novembertag ist. Das Ganze sieht aus wie eine Märchenidylle.
Als wir stehen bleiben und das Bild betrachten, sehe ich es plötzlich; auf der Holztreppe vor der Terrasse sitzt eine kleine, zusammengekauerte graue Gestalt. Es braucht einen Moment, bis ich begreife, was ich da sehe.
»Das ist Ziggy.«
Ich will hinlaufen, um meinen seit langem verschwundenen Kater zu begrüßen, aber Markus hält mich am Arm und zieht mich vorsichtig zurück.
»Bleib stehen. Um das Haus herum sind Fußspuren. Die könnten verwischt werden. Ich muss die Spurensicherung anrufen.«
Er hat schon sein Handy in der Hand.
»Ach was, Fußspuren, mein Kater ist zurückgekommen.«
»Siri, geh nicht…«
Doch es ist schon zu spät. Ich höre nicht auf Markus, sondern laufe zu Ziggy, der von seinem Platz auf der Treppe aus friedlich den Garten zu betrachten scheint.
Erst als ich fast bei ihm bin, sehe ich, dass etwas nicht stimmt. Ziggy sitzt unnatürlich still, scheint nicht zu reagieren, als ich ihn rufe. Als ich vorsichtig meine Hand ausstrecke, um ihm den Rücken zu streicheln, spüre ich zu meiner Verwunderung, dass er ganz steif ist. Nein, nicht nur steif, sondern hart. Mit einem hohlen Ton fällt er um, wie ein Baumstamm, der zu Boden stürzt, und bleibt in derselben steifen Position liegen.
Da begreife ich es.
Er ist ausgestopft worden.
Jemand hat meinen Kater ausgestopft.
In dieser Nacht bekomme ich kein Auge zu, und auch in der folgenden nicht. Der Gedanke an Ziggy hält mich wach, an das Schicksal, das ihn ereilt hat, und ich frage mich immer und immer wieder, wie jemand einem unschuldigen Tier so etwas antun kann.
Endlich habe ich den Kampf, in meinem eigenen Haus wohnen zu bleiben, aufgegeben. Nicht einmal ich kann die einfache Wahrheit weiter leugnen: Es ist gefährlich für mich, zu Hause zu sein, jemand verfolgt mich. Das Ganze ist so unglaublich offensichtlich, und ich begreife nicht mehr, warum ich es so geleugnet habe.
Aina hat eine Wohnung für mich gefunden. Ein Freund von ihr hat für ein halbes Jahr ein Forschungsstipendium an einer italienischen Universität bekommen, und seine Einzimmerwohnung in der Hantverkargatan ist plötzlich frei. Leer. Steht zu meiner Verfügung.
Die Wohnung ist klein und spartanisch, aber praktisch eingerichtet. Es ist nicht mein Zuhause. Es ist ein Ort, an dem ich bleiben kann, bis dieser Mann, den die Polizei jagt, gefasst ist. Wenn sie ihn fassen. In meinen geheimsten Gedanken habe ich angefangen, daran zu zweifeln. Ich bin nicht mehr sicher. Ich kann mich nicht mehr an mein Leben erinnern, wie es vorher war. Bevor Sara starb. Bevor mein Haustier in ein Ausstellungsstück verwandelt wurde, bevor Marianne ins Koma fiel und bevor mein Rasen mit Blut befleckt war. Ich habe das Gefühl, schon immer bedroht worden zu sein. Das Gefühl ist so
vertraut, dass ich mit ihm bereits verschmolzen bin. Ich bin Siri. Ich werde gejagt. Bedroht.
Verfolgt.
Ich habe meinen Eltern oder meiner Schwester noch nichts erzählt. Es gibt kein Gesetz, nach dem erwachsene Kinder verpflichtet sind, ihre Eltern über alles zu informieren. Vielleicht habe ich die moralische Pflicht und Schuldigkeit, ihnen zu berichten, was passiert ist, aber ich ertrage es einfach nicht, ihrer Besorgnis ausgesetzt zu sein.
Noch eine Schuld zu tragen.
Meine Schuld, dass sie sich Sorgen machen.
Stattdessen kommt Markus, holt mich, meine Tasche und meine drei Umzugskartons ab und hilft mir, mich in der Wohnung einzurichten.
Sie hat einen bewohnbaren Flur, mit einem Schreibtisch und einem Stuhl. Die Wände sind mit Bücherregalen bedeckt, voll mit Büchern über Ideengeschichte und Philosophie. Ein Wohnzimmer mit einem Sofa aus den Dreißigern mit zierlichen Holzlehnen und einem kleinen runden Tisch. Ein winziger Fernsehapparat, ein Schlafalkoven mit einem Bett, so schmal, dass ich mich frage, wie jemand darin schlafen kann. Und noch mehr Bücher. In der Küche ein Tisch mit zwei Stühlen. Als Hinweis auf das kommende Weihnachtsfest hat jemand einen Weihnachtsstern ins Wohnzimmerfenster gehängt. Ich denke wieder, dass dies hier nicht mein Zuhause ist. Dies ist ein Zufluchtsort. Mein höchst zufälliger Zufluchtsort.
Seit dem Tag, als wir Ziggy gefunden haben, habe ich das Gefühl,
Weitere Kostenlose Bücher