Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Das hier ist eine Verabredung. Ein Date. Während ich den Tisch decke, reden wir über Vijay und Olle. Markus ist neugierig, was ihre Beziehung betrifft, fragt, ob Vijay Hindu sei und wie man Homosexualität in seiner Kultur betrachtet. Wozu ich tatsächlich nichts sagen kann.
Ich setze mich an den gedeckten Tisch, und Markus serviert. Er hat Saltimbocca mit Salbeisauce gekocht, und die ganze Küche duftet nach Kräutern. Wieder einmal hat er mich verblüfft, meine Vorurteile in Frage gestellt: dass er kochen kann – so etwas kochen -, das hätte ich nicht gedacht.
Wir sitzen einander gegenüber, und als mein Blick seinem begegnet, ist es, als verhakten sie sich ineinander. Wir gehen entspannt miteinander um, sind aber gleichzeitig auch nervös und vielleicht sogar etwas gehemmt.
»Wieso sind Sie Polizist geworden?«
Markus scheint verwundert über die Frage. Als wäre Polizist eine selbstverständliche Berufswahl.
»Ich bin Polizist geworden, weil ich schnell Auto fahren und Banditen fangen wollte«, erklärt er grinsend.
»Ist das so einfach?«
»Nun ja, ich war ja noch wahnsinnig jung, als ich auf die Polizeihochschule gekommen bin. Eigentlich wollte ich Kriminologie und Jura an der Universität studieren, aber … dann bin ich zur Polizei gegangen. Ich wollte das einmal so richtig ausprobieren. Und ich hatte meine Prinzipien und Vorstellungen von richtig und falsch, gut und böse.«
Markus sieht eifrig aus, als wäre es ihm wichtig, mir zu vermitteln, was ihn zu dieser Entscheidung getrieben hat.
»Und … was ist von Ihren Prinzipien übrig geblieben? Wissen Sie immer noch, was gut und was böse ist?«
»Ich bin jetzt schon seit einer Weile Polizeibeamter, da ist es klar, dass meine Gedanken und Einschätzungen sich geändert haben. Ich weiß, dass die Welt nicht schwarzweiß ist. Dass die Menschen nicht böse oder gut sind. Und dass auch gute Menschen böse Handlungen begehen können.«
Markus sieht müde aus, und wieder muss ich daran denken, mit welchen Dingen er sich tagtäglich herumschlagen muss.
»Wie schaffen Sie das?«
»Wie schaffen Sie das, Siri? Sie sind Psychotherapeutin, zu Ihnen kommen Tag für Tag Menschen, die leiden und die schon weiß Gott welches Elend durchgemacht haben. Aber Sie schaffen es, nicht wahr? Und ich schaffe es auch. Ich schaffe es, weil ich noch ein Leben neben meiner Arbeit habe. Weil ich weiß, dass das Leben nicht ausschließlich aus Gewalt und Tod besteht. Und ich schaffe es, weil ich weiß, dass ich das Richtige tue. Ich bin ein guter Polizist. Ich mache einen guten Job.«
Markus verstummt und sieht mich an, als erwartete er, eine Bestätigung für das zu bekommen, was er gesagt hat. Ich nicke langsam, denn ich denke, dass ich schon verstehe, was er meint und worauf er hinauswill.
Ich betrachte ihn, wie er mir am wackligen Küchentisch gegenübersitzt. Und plötzlich stelle ich mir vor, wie sich sein glattes, blasses Gesicht dem meinen nähert, wie er sich vorbeugt und mir mit seinen wohlgeformten, schönen Lippen einen leichten Kuss auf den Mund gibt. Seine weichen Lippen auf meine drückt. Der Gedanke entsteht aus dem Nichts, und ich schaue ihn an, sein blondes Haar, die blauen Augen, das T-Shirt mit dem Ramones-Aufdruck. Eine Sekunde lang denke ich darüber nach, dass er das T-Shirt einer Band trägt, die er wohl kaum kennen kann, weil er zu jung dafür ist.
Viel zu jung.
Ich weiß, dass es so ist, will mich aber nicht weiter damit befassen.
Unsere Blicke begegnen sich, und wieder verhaken wir uns ineinander. Markus beugt sich über den Tisch vor, seine Hand berührt meine. Ich spüre, wie seine Fingerspitzen über meinen Handrücken streichen, und denke an Stefan und wie unendlich weh es tut, den zu verlieren, den man liebt. Und ich frage mich, ob ich es wage, die Chance zu ergreifen und noch einmal
zu lieben und damit zu riskieren, den Schmerz eines Verlustes erneut zu erleben.
»Warum bist du hergekommen, Markus? Was willst du von mir?«
Markus sieht mich betreten an. Es ist ihm peinlich. Aber ich weiß, dass ich die Antwort hören muss.
»Ich bin hergekommen, weil du etwas an dir hast, Siri. Etwas, das mich berührt. Was dazu führt, dass ich häufiger an dich denke, als ich sollte. Was dazu führt, dass ich bei dir sein will.«
Er verstummt und schaut auf unsere nun ineinander verschlungenen Hände.
»Das ist nicht so einfach«, erwidere ich. »Wir. Die Ermittlungen. Wir dürften gar nicht …«
»Ja, ich weiß, aber … ich kann nicht,
Weitere Kostenlose Bücher