Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
schaut mich lange an, bevor er ansetzt:
»Ich glaube, du hast noch nicht verstanden, welcher Gefahr du ausgesetzt bist. Dieser Kerl ist gefährlich, Siri. Er ist gefährlich. Ich glaube, er will dir nicht nur Schaden zufügen, er will dich nicht nur leiden sehen. Ich glaube, er will dich töten.«
Er verstummt und sieht mich wieder lange an. Langsam und mit Nachdruck wiederholt er dann den letzten Satz.
»Ich glaube, er will dich töten.«
Dezember
Es ist Abend, die Praxis ist leer. Ich bin noch geblieben, um verschiedene bürokratische Aufgaben zu erledigen, die liegen geblieben sind. Das habe ich zumindest Aina und Sven gesagt. Meine eigentliche Absicht ist es, Svens Aktenaufzeichnungen über Peter Carlsson durchzugehen. Ich weiß, das verstößt gegen die ethischen Grundsätze. Vielleicht ist es auch ein Bruch der Schweigepflicht, aber ich muss es wissen.
Ich sitze am Empfangstresen, die Kopien der Aktenaufzeichnungen vor mir ausgebreitet wie Spielkarten einer Patience. Im Unterschied zu mir lässt Sven selten die Gespräche auf Video aufzeichnen. Ich glaube nicht, dass er eigentlich etwas dagegen hat, seine Sitzungen zu filmen, habe eher den Verdacht, dass ihm die Prozedur zu zeitaufwändig und umständlich ist. Sven ist nachlässig und unstrukturiert, will nicht mehr als unbedingt nötig mit Verwaltungsdingen zu tun haben. Dagegen ist er ein blendender Praktiker, und ich hoffe, dass davon etwas in seinen Aufzeichnungen zu sehen ist.
Trotz meiner festen Überzeugung, dass ich richtig handle, bringe ich es nicht über mich, die Texte zu lesen. Vijays Worte haben mich mehr erschreckt, als ich zugeben will. Vijay ist ein besonnener Mann. Er hat nichts Theatralisches oder Gefühlsduseliges an sich. In all den Jahren, die ich ihn kenne, habe ich ihn noch nie so aufgewühlt erlebt wie heute. Ich muss zugeben, dass er Recht hat. Ich muss vorsichtiger sein. Mein Beschluss, so lange Zeit im Haus zu bleiben, erscheint mir plötzlich unbegreiflich. Wie konnte ich so dumm sein? Es scheint,
als hätte ich mir selbst nicht eingestehen wollen, dass ich tatsächlich bedroht war. Dass ich tatsächlich bedroht bin. Ich nehme das erste Blatt Papier und fange an zu lesen.
Die ersten Aufzeichnungen enthalten nur kurze Anmerkungen über Peter Carlssons Wechsel des Therapeuten und die Umstände, die dazu führten. Anschließend gibt es Aktenaufzeichnungen von zwei Sitzungen, sorgfältig aufgeschrieben.
Datum: 17. September
Uhrzeit: 15.00
Patient: Peter Carlsson
Kontaktaufnahme: Der Patient kommt in die Praxis zu einer ersten probatorischen Sitzung bei dem Unterzeichnenden. Für weitere Beschreibung der Umstände um den Therapeutenwechsel des Patienten von Siri Bergman siehe vorstehende Berichte.
Aktuell: Patient ist ein 38-jähriger Mann, der in die Praxis kommt wg. sexueller Zwangsgedanken mit sadistischem Einschlag. Er hat vorher noch nie Kontakt psychologischen/psychiatrischen Charakters gehabt. Er gibt an, unter diesen Gedanken sehr zu leiden, und erklärt, dass sie seinen ganzen Alltag beeinflussen, da er sie als so erschreckend erlebt, was die Ursache für starke Angst ist. Pat. beschreibt, dass diese Gedanken Ende der Jugend das erste Mal auftraten. Damals hatte er auch seine erste sexuelle Beziehung zu einer Frau. Bereits früh drängten sich in dieser Beziehung diese Gedanken, die Freundin verletzen zu wollen, auf. Er versuchte, sie aktiv zu verdrängen, erklärt jedoch, dass das nicht sehr effektiv war. Pat. beschloss deshalb, die Beziehung zu beenden, aus Angst,
der Freundin Schaden zuzufügen. Anschließend vermied er Beziehungen zu Frauen aus Angst, die Zwangsvorstellungen könnten wieder auftreten und sie könnten ihn dazu bringen, tatsächlich jemandem Schaden zuzufügen. Im Frühling hat der Pat. dann eine Frau kennen gelernt. Er gibt an, dass er sehr verliebt in sie ist, aber nicht in der Lage, sich ihr sexuell zu nähern, aus Angst, er könnte ihr schaden. Er beschreibt ihre Beziehung als warm und liebevoll. Seine Freundin insistiert jedoch darauf, dass das Paar auch eine sexuelle Beziehung hat. Pat. hat der Freundin berichtet, er habe ein Problem mit seiner Sexualität, und ihr versprochen, deshalb Hilfe zu suchen. Er hat ihr jedoch nicht berichtet, worin sein Problem eigentlich besteht. Pat. betont, dass er kein aggressiver Mensch ist und dass er nie jemandem bewusst Schaden zugefügt hat. Er verneint beharrlich, dass diese Gedanken lustvoll für ihn wären. Sein Wunsch ist es, Hilfe zu
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