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Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
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bitte einfach nur zu.«
    »Aber …«
    »Hör mir bitte zu!«
    »Ja, ja, okay.«
    Ich kann hören, wie verletzt sie ist.
    »Erinnerst du dich an einen Peter Carlsson aus deiner Klasse oder vielleicht auch aus deiner Parallelklasse?«
    »Was? Wovon redest du?«
    »Peter Carlsson. Groß, schlank, ganz hübsch. Aber ich weiß natürlich nicht, wie er damals ausgesehen hat.«
    »Wann damals?«
    »In der Schule. In Huddinge.«
    Sofia sagt nichts, ich vermute, dass sie überlegt. Im Hintergrund höre ich einen dumpfen Knall, gefolgt von einem schrillen Schrei und anhaltendem Weinen.
    »In der Oberstufe ist ein Peter Carlsson in meine Klasse gegangen. Er hat nicht weit von uns gewohnt. In einem Haus in der Nähe von Långsjön. Aber groß und hübsch … na, ich weiß nicht. Er war irgendwie … speziell. War immer mit seinen Schlüsseln beschäftigt. Hatte Angst, sie zu verlieren, und hat sie immer wieder durchgezählt. Vielleicht ein Fall für dich«, kichert sie, bevor sie die Kinder anschreit.

    »Jetzt seid ihr verdammt noch mal still! Mama hat ein wichtiges Gespräch zu führen.«
    Ich überlege. Ich kann mich an diesen Peter nicht erinnern, aber es klingt, als ob es »mein« Peter sein könnte.
    »Aber seine jüngeren Schwestern«, fährt Sofia fort, »die müssen in deinem Alter gewesen sein. Petra und Pernilla. Meine Güte, wie kann man seine Kinder nur Peter, Petra und Pernilla taufen?«
    »Wie kann man seine Kinder nur Sofia, Susanne und Siri taufen?«, erwidere ich.
    Eine rhetorische Frage. Auf die ich keine Antwort erwarte. Stattdessen denke ich intensiv nach. In Gedanken bin ich wieder in den engen Fluren der Grundschule. In meiner Erinnerung formt sich das Bild eines Mädchens mit Krücken, das sich nur mit Anstrengungen seinen Weg durch die vollen Flure bahnen kann. Vor jedem Klassenzimmer steht eine Gruppe von Kindern und wartet darauf, hineingelassen zu werden. Das Mädchen gibt sich alle Mühe, niemanden anzustoßen. Ihr Blick ist auf das Ende des Korridors gerichtet. Sie tut so, als sähe oder hörte sie die anderen gar nicht. Geht einfach nur geradeaus weiter. Als sie die Gruppe erreicht, in der ich stehe, streckt meine beste Freundin Caroline ihr Bein aus. Das Mädchen sieht es nicht, fällt auf den schmutzigen, harten Steinfußboden. Kann sich noch mit den Händen abfangen, klatscht aber mit den Handflächen in eine Dreckpfütze. »Oh, entschuldige«, sagt Caroline gekünstelt. »Ich habe dich wirklich nicht gesehen.« Die anderen grinsen. Ich lache laut auf. Das Mädchen steht mühsam auf und geht wortlos weiter.
    Krückenpetra.
    Petra Carlsson.

     
    Ein paar Monate nach Stefans Beerdigung war ich allein in unserem Haus, ohne Aina an meiner Seite, ohne die wachsamen Blicke meiner Familie. Es war ein grauer Tag: das diesige, schmutzige Licht, das durch die Fenster hereinsickerte, gab dem Zimmer einen abgenutzten, etwas blassen Anstrich, ließ es als das erkennen, was es eigentlich war, ein Ferienhaus. Eine provisorische Bleibe. Ein durch und durch hoffnungsloses Projekt, zumindest vom praktischen Gesichtspunkt aus.
    Ich hatte vage geplant, seine Sachen aufzuräumen – das wegzuwerfen, was nicht mehr gebraucht wurde, das auszusortieren, was weggegeben werden sollte, und das aufzubewahren, was später noch gebraucht werden konnte, aber es stellte sich heraus, dass das schwerer war, als ich gedacht hatte. In unserem gemeinsamen Schrank hingen frisch gebügelte Hemden und Jeans nebeneinander; ich konnte doch seine Kleidung nicht so einfach wegwerfen? Und wem sollte ich sie geben? Ich beschloss, die Kleidung bis auf weiteres unberührt hängen zu lassen.
    Also ging ich weiter zu seinem Schreibtisch. Der war noch genauso wie an dem Tag, als Stefan starb. Niemand hatte die Tischplatte berührt oder den Staub von dem ordentlichen Stapel Papier weggepustet, der sich in der rechten Ecke türmte. Ich strich mit der Hand über die raue Oberfläche und hinterließ tiefe Spuren im Staub. Entschlossen ging ich in die Küche und holte den feuchten Wischlappen, legte vorsichtig den Papierstapel
auf den Boden und fing an, den Staub mit langsamen Bewegungen wegzuwischen.
    Die Schubladen waren voll mit zusammengebundenen Papierstapeln. Vorsichtig hob ich den Inhalt aus der ersten Schublade und legte ihn auf die jetzt saubere, noch feuchte Tischplatte. Kontoauszüge vom Studienkredit, Rechnungen und Steuerbescheide lagen sortiert da. Auf jedem Papier ein Vermerk »ZU BEZAHLEN« oder »ANZUMELDEN«. Ich schüttelte den

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