Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
leise mit der Snusdose auf dem Tisch.
»Ich kann in der Wohnung bleiben.«
Der Gedanke an einen einsamen Heiligabend in der kleinen Einzimmerwohnung in Kungsholmen erscheint gar nicht so schlimm. Eigentlich ist mir Weihnachten ziemlich egal, es interessiert mich nicht im Geringsten, wie es abzulaufen hat. Ich kann mir gern das schwedische Fernsehprogramm angucken und Rotwein trinken.
»Ich muss arbeiten. Ich kann nicht bei dir sein.«
Markus sieht traurig aus, und ich merke, wie mich das ärgert. Ich muss nicht umsorgt werden. Ich habe jetzt seit mehr als einem Jahr allein gelebt, habe schon einmal ein Weihnachtsfest ohne Stefan verbracht und brauche nicht diese Fürsorge, wie Markus sie sich vorstellt.
Ich schüttle den Kopf.
»Das ist kein Problem. Ich komm allein zurecht.«
Er sieht mich zweifelnd an.
»Hast du mit deinen Eltern gesprochen?«
»Ja, natürlich habe ich mit ihnen gesprochen, aber wir werden Weihnachten nicht zusammen feiern. Wir haben uns gegenseitig Weihnachtsgeschenke geschickt, das reicht.«
Seine Fürsorge ist rührend, aber auch provozierend, und ich spüre, wie meine Wut noch steigt. Markus realisiert meine Gefühle.
Vielleicht ist es diese Fähigkeit an ihm, die ihn so anziehend für mich macht.
»Entschuldige, ich will nicht in deinem Privatleben herumwühlen, aber ich möchte nur wissen: Hast du ihnen überhaupt erzählt, was passiert ist?«
»Weißt du, das ist ziemlich kompliziert…«
»Entschuldige, aber das verstehe ich nicht, wieso ist das kompliziert? Ein verrückter Mörder jagt dich, und du willst deiner Familie wegen irgendeiner Art falsch verstandener Rücksichtnahme davon nicht einmal etwas erzählen. Wenn ich du wäre …«
»Ja, aber du bist nicht ich! Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln! «
Ich habe nicht schreien wollen, aber ohne weiter darüber nachzudenken, bin ich aufgesprungen und laut genug geworden, dass die Unterhaltung an den Nebentischen verstummt. »Schnapsdrossel«, höre ich einen der so schrecklich fröhlichen Stammgäste an einem Tisch in der Nähe des Tresens murmeln.
Ohne ein weiteres Wort schnappe ich mir meinen Mantel und meine Tasche und verlasse das Lokal. »Fröhliche Weihnachten!«, ruft ein anderer Suffkopf, gerade als ich die Tür aufreiße und in der Dunkelheit verschwinde.
Er wohnt im Narvavägen, gleich neben der Konditorei Oscar. Hineinzukommen war ein Kinderspiel. Ich brauchte nur auf der Straße zu warten, bis eine alte Oma mit einem überfütterten Pudel, der kaum noch laufen konnte, aus der Tür herauskam. Ich lief hin, hielt der Alten die Tür auf, die mich dankbar anlächelte und mit kleinen, unsicheren Schritten zum Strandvägen hin verschwand. Die nächste Herausforderung war die Wohnungstür. Ich hatte mein Werkzeug dabei und ging schnell ans Werk. Es dauerte nicht einmal drei Minuten, dann war die lächerliche Tür offen. Und ich musste mich nicht einmal anstrengen.
Drinnen lag die Wohnung im Halbdunkel, aber ich konnte die Silhouetten der Designermöbel erkennen: Jacobsen, Aalto, Lissoni. Der Typ hat Geschmack. Überall teure Elektronik. Ansonsten war die Wohnung klinisch sauber, ohne irgendwelche persönlichen Dinge. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass hier jemand wohnt, ich hätte gedacht, die Wohnung steht leer.
Ich ging ins Arbeitszimmer, in dem ein Schreibtisch stand, mit drei Schwarzweißlithographien darüber, einem Stuhl und einem Bücherregal. Vorsichtig zog ich den Stuhl heraus und kletterte darauf, so dass ich das Bücherregal von oben betrachten konnte. Das war der perfekte Platz. Leicht erreichbar für denjenigen, der nach etwas suchte, aber nicht direkt zu sehen, wenn man ins Zimmer kam. Ich beschloss, das Buch hierhin zu legen.
Dann setzte ich mich an den Computer, holte die Liste der Websites heraus und fing an. Es war viel einfacher gelaufen, als ich erwartet hatte. Sehr viel einfacher.
Das nennt Aina saubermachen.
Sie fegt alle handgeschriebenen Aktenaufzeichnungen zusammen, ein paar Rechnungen und einen Brief vom Finanzamt, schiebt sie zu einem Stapel auf ihrem Schreibtisch. Ein altes Paket Kaugummi rutscht mit.
»So, ich muss das nur eben in den Tresor legen«, sagt sie und eilt zum Empfang, das Papierbündel unter dem Arm.
Ich seufze, mag ihre offensichtliche Unordnung nicht zur Sprache bringen. Beschließe, es darauf beruhen zu lassen. Aina kommt wieder und lässt sich auf ihren Schreibtischstuhl sinken, lehnt sich zurück und schaut an die Decke.
»Ich bin so verdammt müde
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