Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
schlaflosen Dämmerzustand da und drehte mich hin und her, bis der Morgen kam. Nicht einmal ein paar Gläser Wein halfen gegen die Angst. Als der Wecker klingelte, zwang ich mich aus dem Bett und schluckte drei Schmerztabletten zum Frühstück.
»Es geht um diesen Typen… oder Mann. Na, ist ja auch egal …«
Sara scheint zu zögern, nimmt dann all ihren Mut zusammen.
»Er scheint mich zu mögen, wir können über alles reden, wir haben viel Spaß, aber … er will nicht mit mir schlafen.«
Sara trommelt mit der Sonnenbrille gegen die Kleenexpackung auf meinem kleinen Couchtisch, als wollte sie die Bedeutung der Worte unterstreichen. Sie sieht betreten aus, und ich vermute, dass Sara zum ersten Mal auf so ein Problem trifft. Sie ist das, was wir in der Psychologensprache als sexuell ausagierend bezeichnen. Als ausschweifend würden es wohl andere nennen, aber bei Sara handelt es sich nicht um sexuelle Befriedigung. Stattdessen kämpft das unsichere kleine Mädchen in ihr darum, Bestätigung und Wertschätzung zu finden.
»Ist das schon die ganze Zeit so?«, frage ich in einem freundlichen, aber neutralen Ton.
»Zuerst habe ich gedacht, er will warten, bis wir uns besser kennen. Ich meine … ich war fast, nun … geschmeichelt. Als wäre ich so was wie ein guter Wein, der erst lagern muss.«
Sara lacht einen Moment lang auf und schaut mich mit einem gespielt verwunderten Blick an.
»Dann habe ich mich langsam gefragt, ob er vielleicht impotent ist oder so. Schließlich ist das ja nicht so wahnsinnig unüblich in seinem Alter«, erklärt Sara, als wüsste sie alles über die sexuellen Probleme von Männern mittleren Alters.
»Aber ich glaube, eigentlich will er, nur irgendetwas hält ihn zurück. Ich meine, ich kann spüren, dass er will, aber wenn es kurz davor ist, dann zieht er sich zurück. Er wird fast … er wird fast wütend. Wie kann ihn das wütend machen?«, fragt sie leise und sieht mich aufmerksam an.
»Ich weiß nicht«, antworte ich zögernd. »Dafür gibt es viele Gründe, und ich kenne Ihren Freund ja nicht. Es kann alles
Mögliche sein, von der Angst, sexuell nicht zu genügen, ich meine, Sie sind attraktiv und jung und so weiter, bis hin zu einem physischen Leiden und gefühlsmäßigen Blockaden. Was glauben Sie selbst? Sie sind ja diejenige, die ihn am besten kennt.«
»Ich glaube gar nichts«, antwortet Sara und zuckt mit den Schultern, aber ich kann ihrem Gesicht, ja ihrer ganzen Körperhaltung ansehen, dass irgendetwas sie plagt. Sie zuckt noch einmal mit den Schultern und fixiert mich mit dem Blick.
»Nun ja, also … es scheint, als würde er eine Menge… Wut in sich tragen. Als wäre er verdammt wütend … im Inneren, und aus irgendeinem Grund kommt das heraus, wenn wir zusammen sind, ich meine, physisch zusammen.«
Saras Stimme erstirbt, und ich sehe, dass sie den Kopf auf die Brust fallen lässt. Plötzlich sieht sie unbeschreiblich verletzlich aus. Wie ein kleines Vogeljunges kriecht sie auf dem mit Schaffell bezogenen Sessel zusammen und umschlingt ihre Knie mit den Armen.
So sitzt sie eine ganze Weile da, schweigend, und ich lasse sie in Ruhe.
»Sara«, setze ich schließlich zögernd an, »haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum Sex für Sie so wichtig ist?«
»Ach du meine Güte!«
Sara hebt den Kopf und guckt mich an, als wäre ich verrückt geworden.
»Ach du meine Güte«, wiederholt sie. »Wir treffen uns seit mindestens einem Monat fast täglich. Er übernachtet bei mir, und er behauptet, dass er mit mir zusammenleben will. Hallo! Finden Sie es da nicht selbst merkwürdig, dass er nicht mit mir schlafen will?«
Ich gebe keine Antwort, weiß aber, dass sie Recht hat.
In der Stadt sieht man den anderen nicht an, wenn man ihm begegnet. Man schaut zu Boden. So ist es nun einmal. Vielleicht hat sie mich deshalb nie gesehen? Aber wie dem auch sei, es ist merkwürdig. Den Vorsommer über habe ich mich mehrere Male in der Schlange in den Söderhallen so nah an sie herangeschlichen, dass ich problemlos meine Hände um ihren dünnen kleinen Vogelhals hätte legen und zudrücken können. Dann wäre es in Null Komma nichts vorbei gewesen.
Einmal habe ich ihren knochigen Arm in der Schlange vor dem Bankautomaten berührt. Er war flaumig und sonnenwarm. Ich zog meine Hand zurück, als hätte ich mich verbrannt, und schüttelte mich vor Unbehagen. Aber sie hat mich nicht gesehen, sich nur etwas gedankenverloren mit ihren kurzen, unbemalten Nägeln am Arm
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